Like a Candle in the Wind

Kurz, intensiv und schicksalhaft waren Aufstieg und Fall der Statt Partei. Ein Abgesang auf ein grandioses Grüppchen aus dem Bauch  ■ der taz

Seit 1993 hatte die Hamburger Bürgerschaft ihre schrecklich nette Familie: Dem bunten Achterhäufchen der Statt Partei gelang es, sich binnen kürzester Zeit die Aura einer sensiblen Chaos-Truppe mit unvergleichlichem Unterhaltungswert zuzulegen.

Bar jeden Programms, jenseits aller weltanschaulichen Zusammenhänge, aber voll unfreiwillig-naiver Integrität tobten Statt-Gründer Markus Wegner, der mit seiner Anfechtung der 91er-Wahl populär geworden war, und seine Getreuen ihre Befindlichkeiten im Rathaus aus und banden öffentliche Aufmerksamkeit allein durch ihre personellen Querelen: Als erste siedelte Gundi Hauptmüller großherzig-hinterlistig strahlend zur GAL über. Gründervater Wegner und sein verrenteter Adlatus Klaus Scheelhaase verließen 1995 rachsüchtig die Fraktion, die daraufhin keine mehr war und nur noch „Gruppe“heißen durfte. Scheelhaase gründete flugs den volkstümelnden Senioren-Stammtisch „die jungen alten“. Noch Anfang dieses Jahres verstrickte sich Rotraut Meyer-Verheyen nach dem Motto „Transparenz fordern, Filz produzieren“in eine Art Dienstmädchen-Affäre.

Wer wird nun, nach dem Hinsinken der Statt Partei unter die Fünfprozentmarke, den Bürgermeister loben? Wer wird, wie Markus Wegner, mit seinen Einlassungen zu Hafenstraße und -krankenhaus („bleiben!“) sowie Senatorengehältern oder Politikerdiäten („vors Gericht!“) die öffentliche Diskussion mit profilneurotischen Blüten schmücken?

Und war nicht auch der Statt-Wahlkampf mit dem joggenden Versicherungsmillionär Jürgen Hunke an der Spitze ein popmoderner Lichtblick im Recht- und Ordnungslastigen Plakatewald? Kein Spitzenkandidat wird je wieder mit soviel Grandezza Politik als „einschneidende Veränderung der Lebensqualität“bezeichnen wie Hunke am Wahlabend im CCH. Kein Unternehmer konnte sich so treuherzig in einem Atemzug mehrmals widersprechen und brauchte so viele Phrasen, um gegen die Volksparteien-Rhetorik zu wettern.

Am meisten aber werden wir jene vermissen, die von der Statt Partei in die Senatsämter berufen wurden. Der humanistische Feingeist und Justizsenator Wolfgang Hoffmann-Riem könnte sich als Ex-SPDler sein Amt sogar erhalten – aber was wird aus unserem Wirtschaftssenator Erhard Rittershaus mit seinen flüchtigen akademischen Graden?

Nie wieder wird es einen Wirtschaftssenator geben, der die taz-Redakteurin so nonchalant mit „Oh, da ist ja meine Freundin Frau Heike!“begrüßt und sein väterliches Schulterklopfen allen, vom Chefredakteur bis zum kleinsten Praktikanten, angedeihen läßt. Rittershaus, von Untergebenen zärtlich „Ede Schnackbär“getauft, war ein politisches Genie: Keiner konnte sich sicher sein, ob sich der ehemalige BAT-Zigarettenkönig aus strategischen oder menschenfreundlichen Gründen bei jedem Thema scheinbar um Kopf und Kragen redete – und doch nichts versiebte. Wieviel bitterer wären Elbvertiefung und Hafenerweiterung noch gewesen, hätte Impresario Rittershaus sie nicht mit soviel rheinischem Frohsinn angepriesen!

Jürgen Hunke habe im Wahlkampf „Mut zur eigenen Unpopularität bewiesen“, sagte Rittershaus gestern. „Und das ist in der Politik eine eminent wichtige Eigenschaft.“Was ließe sich Netteres über die Statt Partei sagen?