Der Trend geht, die Musik bleibt

■ Im „Römer“: Lebenszeichen der Bremer TripHop-Hoffnung „Czech“/ La Gorecki, die einzige Bremer Diva

Trendhungrige Meinungsmacher erklärten vor über einem Jahr eine verhältnismäßig neue Musikrichtung, die schnell mit dem etwas blöden Namen TripHop beschlagen wurde, zur Musik der Zukunft. Bremer MusikliebhaberInnen mit ausgeprägtem Lokalpatriotismus machte das glücklich, denn wenn der TripHop einst die Welt beherrschen sollte, würde Bremen einen Teil des Kuchens abbekommen. Immerhin hatte die hiesige Szene „Czech“hervorgebracht, das trippige Projekt der „Pearly Passion“-Sängerin Katharina Gorecki und des „Saprize“-DJs Gregor Hennig. Ihr Einstandskonzert im Studio auf den Höfen mit dreiköpfiger Streicherschar war ein denkwürdiges Ereignis, ihr Debütalbum erschien bei einem Virgin-Sublabel, und die Single-Auskoppelung „I Do Believe“war kaum wieder aus dem Gehör herauszubekommen, wenn sie erstmal drin war.

Inzwischen redet kaum noch jemand von TripHop. Die Revolution hat wieder einmal nicht stattgefunden, aber „Czech“gibt es immer noch. In alter Frische und mit neuen Liedern erfreuten sie am Samstag das gut gefüllte „Römer“. Neu war auch, daß Gregor Hennig alias Greg Core nicht abseits des Rampenlichts seine Knöpfchen drehte, sondern offensiv auf der Bühne den Takt vorgab. Nicht per Maschine, sondern per Schlagzeug. Erstaunlich war dabei, daß trotzdem noch große Teile des Programms wie direkt von der Festplatte abgerufen klangen. Schlecht wirkte das keineswegs, denn die Musik von „Czech“lebt mitunter vom Kontrast zwischen emotionellem Gesang, mechanischem Beat und verrauschten Samples. Dies funktionierte auch am Samstag. Dabei waren die elektronischen Elemente selten hart, sorgten eher für kuschelige Klangkissen, in denen es sich die mal zwitschernde, mal jubilierende Stimme der Sängerin gemütlich machen konnte. Zogen Schlagzeug und Playback-Einspielungen Tempo und Lautstärke an, wurde daraus doch niemals Rock, obwohl es sich oft für Sekundenbruchteile danach anhörte.

Da lief einem ein kalter Schauer über den Rücken, als einem bewußt wurde, daß aus La Gorecki in schlechteren Zeiten als diesen eine veritable Rockröhre hätte werden können. Täglich sollte man dem Herrn auf Knien danken, daß er Bremens einzige echte Diva nicht auf diesen Irrweg geleitet hat. Dafür war man im „Römer“genau richtig, denn Gott war auch da: In Songs wie „Faith“oder dem wellenrauschenden „Angel“und in Bibelzitaten, die in den Bühnenhintergrund gehängt worden waren.

Lautere, bombastischere Passagen bedeuteten für die Band vor allem orchestrales Pathos, das zusammen mit knisternden Neben- und Hauptgeräuschen und jazzigem Gesang den typischen Czech-Sound ausmachte. Für zusätzliches Fleisch auf den elektronischen Knochen sorgte ein Gast-Rapper, dessen Einsatz manchmal etwas zu nanaesk anmutete, aber mitunter dem ganzen eine schöne, relaxte Note gab.

Der Rock mußte bei diesem Konzert also draußenbleiben, obwohl ein Gast den Bassisten als Wendehals entlarvte: „Vor zehn Jahren hat Matthias noch AC/DC-Songs gespielt, und jetzt schimpft er über Rock-Musik!“

Andreas Neuenkirchen