Lockeres Überlebenstraining

■ Die Wiedergeburt von Cool: Cake aus Kalifornien führen in der Großen Freiheit ihre unkonstruierte Rockmusik auf

„Locker bleiben“gehört fraglos zu den gebräuchlichsten Mantras der HipHop-infizierten Jugendkultur. Auch in der Musik von Cake ist diese Aufforderung eingeschrieben. Doch im Gegensatz zu dem 16jährigen B-Boy an der Ecke stehen John McCrea solche Imperative zu, denn er hat einen Bart, und seine Band ist locker.

Wie sehr das Quintett aus Sacramento damit den Nerv der Zeit trifft, zeigten diverse Hausbesuche und Parties der letzten Monate, wo Fashion Nugget, die sonnengelbe CD mit der Krone, entweder schon lief oder sich als unfehlbares Mitbringsel entpuppte. Und sei es nur wegen Stück sieben, jener nonchalanten Neuinterpretation von Gloria Gaynors verzweifelt-trotzigem Smasher „I Will Survive“, aus dem Cake die überflüssigen Streicher und den Disco-Appeal entfernten, um dem Stück eine natürliche und lässige Selbstverständlichkeit zu geben. Wie hier läßt sich auch für den Rest des Klangbilds eine Bestimmung eher aus der Negativ-Definition herausschälen: keine vordergründige Gitarre, keine stumpf abspulende Rhythmussek-t ion, kein prätentiöser Gesang. Im Gegenteil: schrammelig-verhaltene Atmosphäre, dazu ein freundlich rumpelndes Schlagzeug und etwas Orgel. Aus diesem mauschelnden Bett erheben sich der Bass mit seinen warmen Läufen und als besonderes und alles veränderndes Bonbon Vince Di Fiore und seine Trompete, die eher an Herb Alpert als an Miles Davis erinnert.

Das äußerst luftige Ergebnis hat nichts mit Alternative-Rock zu tun, sondern ist, wie McCrea es ausdrückt, „Anti-Grunge-Musik“oder auch „Anti-Jammer-Musik“, aus deren Melancholie stets „I Will Survive“spricht. Nichts ist hier selbstmitleidig, alles hoffnungsvoll. Oder humorvoll, wie die ironischen Texte unterstreichen. So zeigt die rasant gewachsene Popularität dieser Band neben dem steten Hunger nach Melodie und Leichtigkeit auch, was auf dem Weg dorthin jeden Tag aufs Neue falsch und hier richtig gemacht wird.

Coolness dieser Art ist nicht konstruierbar. Dazu gehört Reife von Menschen, die gelernt haben, sich und ihr kleines Gehampel in Relation zu setzen.

Holger in't Veld

Do, 6. November, 20 Uhr, Große Freiheit