Erleuchtung

■ Die inoffizielle Queen of HipHopSoul, Mary J. Blige, hält im Docks Hof

Ein wenig wirkt es wie die Ruhe vor dem Sturm: Hat Soul nun etwas zu sagen oder bleibt alles beim Alten und Funk auch weiterhin das schwarze Loch der Popmusik? Mary J. Blige hat es in der Hand, orakeln Fans und Kritiker unisono. Seit mehreren Jahren wird die New Yorkerin als Zugpferd für eine erweiterte Form von Soul gehandelt. Sie war es, die zwischen den separaten Welten Dance und HipHop als Vermittlerin auftrat und mit ihrer oft ein wenig kratzigen Stimme eigenen Songs und etlichen Standard-Adaptionen – von Chaka Khan über Aretha Franklin bis Natalie Cole – eine angenehme Aktualität bescherte.

Mittlerweile werden Worte und Taten von Mary J. Blige in Fachkreisen übermittelt wie biblische Wahrheiten. Die Gleichungen von Soul als alterndes Club-Amusement und HipHop als dessen Ghetto-Gegenstück fanden ihre Aufhebung in der Kombination beider Stile. Es ist die Rede von HipHopSoul oder Swing Beat, und Mary J. Blige gilt als deren Verfechterin. Groove und Glaubwürdigkeit gehen bei ihr wunderbar zusammen. Spätestens seit ihrer Kooperation mit Sean „Puffy“Combs und Method Man zu „I'll Be There For You/You're All I Need To Get By“hat die 26jährige einen Ausweg aus den oft kritisierten Hohlräumen allzu simpler Schlafzimmer-Rhetorik gefunden.

Bei Mary J. Blige kommen alle, um wieder sehen und hören zu lernen. Al Green predigte einst für die Liebe zu Gott und den Glauben an eine bessere Welt, bei Mary J. Blige hingegen müssen schon Intellekt und Pragmatismus dabei sein. Ihr neues Album, Share My World, ist voll davon und gibt Kolleginnen Gutes mit auf den Weg. All die Brownstones oder SWVs könnten nicht so selbstbewußt durch die Szene singen und rappen, hätte ihnen nicht der Erfolg der inoffiziellen Queen Of HipHopSoul den Weg geebnet. Mary J. Blige ist nicht nur die erste große amerikanische Soul-Chanteuse seit Jahren, der auch in Europa außerhalb ihrer Musik aufmerksam zugehört wird – die launische Dame kann es sich sogar leisten, ohne Nummer-eins-Hit auf ihre erste Europa-Tournee zu gehen. Auch das unterscheidet sie von Chart-Sirenen wie Toni Braxton.

Erst wurden die Vereinigten Staaten von Amerika erleuchtet, nun sind wir an der Reihe. Machen wir uns auf etwas gefaßt.

Oliver Rohlf

So, 9. November, 20 Uhr. Achtung: Das Konzert wurde vom CCH ins Docks verlegt!