Rückspiegel in den eigenen Kopf

■ Das Symposion „Interface IV“diskutiert die Bewußtseingeschichte der Medienkultur

Da ist so eine dieser Fragen: Wo der Mensch doch zwei Augen hat, warum sieht er eigentlich nur ein Bild? Descartes und seine Zeitgenossen haben sich darüber förmlich den Kopf zerbrochen. Bis der Meister mit der rettenden Idee kam: y-förmig würden die Nervenstränge von den Augen kommend etwa über der Nase zusammenlaufen, und hohl seien sie außerdem, so daß Schnurzüge durch sie hindurchlaufen könnten und den Außeneindruck analog auf das Hirn übertragen könnten. Das mag dreieinhalb Jahrhunderte später komisch klingen, aber allzu laut lachen sollte niemand: Im Grunde, so die Veranstalter des Symposions Interface IV, wissen wir heute immer noch nicht, wie das, was wir vor den Augen sehen, mit dem, was hinter den Augen erscheint, zusammenhängt.

Interface ist eine Reihe der Kulturbehörde Hamburg mit Unterstützung des Bundesministeriums für Wissenschaft, Bildung und Technologie, die als „Forum für Kontroversen“seit 1990 kritische Fragen diskutiert, die mit dem Ausbau der Medien zu tun haben. Wesentlich ist dabei die Einbeziehung sowohl naturwissenschaftlicher als auch kulturtheoretischer Positionen. Für das 4. Symposion mit dem descartschen Titel „Video, ergo sum“, das von heute bis Samstag im Warburg-Haus stattfindet und öffentlich ist, haben der Lüneburger Kulturwissenschaftler Karl Clausberg und der Jenaer Neurophysiologe Olaf Breidbach ein äußerst spannendes Programm über die Bewußtseinsgeschichte unserer Medienkultur und neuronale Ästhetik erarbeitet. Die apparative Erweiterung der Lebenswelten, so eine wesentliche These, gibt es nicht erst seit dem Internet oder PCs, sondern prägen unsere Wahrnehmung seit vier Jahrhunderten. Der soempfundene radikale Neubeginn der Moderne im 20. Jahrhundert, habe, was den Blick auf innere Visionen betrifft, nur Altes neu verkleidet.

Infos und Karten für das Symposion (60, erm. 30 Mark) gibt es unter der Telefonnummer 46 882 935. Außerdem ist eine Internet-Seite angelegt unter video-ergo-sum.de.Persönlich gucken und ergo sein kann man in der Heilwigstraße 116.

Christiane Kühl