Ferien im Paradies Von Barbara Häusler

Schuld sind wieder mal die Eltern. Haben sie uns nicht mit dem Versprechen in Wälder und Museen gelockt, am Ende der endlosen Spazier- und Bilderstrecken stünde ein Gasthaus, da würde man „einkehren“? Die Belohnung fürs Hinterhertrotteln bestand dann in einem „großen Eis“ oder einem „schönen Glas Apfelsaft“. Später wurden diese Lockungen immerhin auf vollständige Mahlzeiten ausgedehnt („Da gibt es Pizza!“), aber letztlich waren sie der sozialisatorische Impuls für einen Hedonismus, den man uns heute gern um die Ohren haut.

Nun gibt es Hedonisten, die finden ihr Glück in fünf dick belegten Scheiben Pumpernickel, andere dagegen tun's niemals unter zwei Gängen. Mit so einem war ich mal in Ferien. Zu fünft. Es fing schon beim Autobeladen an. Ausgemacht war eine Tasche pro Person, er schleppte zusätzlich einen sperrigen Karton herbei. Darin, gab er an, befänden sich seine Pfannen, ein Eisenbräter, Knoblauchpresse, Pfeffermühle, Hochleistungsparmesanreibe und zwei Messer („Das sind die Basics“) sowie ein italienisches Kochbuch. Ein Verrückter. Doch wir fügten uns, schließlich hatten auch wir jeder eine unerlaubte Extratüte („Ist nur Schnorchelzeug“) dabei.

Beim ersten gemeinsamen Großeinkauf erstand der Verrückte unverzüglich einen „erstklassigen Seeteufel“. Den, verkündete er, werde er uns grillen, und überhaupt, das sei ja „das Paradies“ hier, und „ab jetzt gibt es jeden Tag Fisch“. Wir ahnten nicht, wie ernst er das meinte, und so wurde es ein wunderbarer Abend, und anmutig bog sich der Schwanz des Seeteufels über dem Grillfeuer zu einem appetitlichen Häkchen.

Die nächsten Tage erkundeten wir die nähere Umgebung. Irgendwo war immer Markt, und jeder verfügte über einen paradiesischen Fischstand, auf dem der Verrückte augenblicklich einen Fisch kaufte, den wir des Abends bereitwilligst verzehrten. Zu ersten Irritationen kam es, als jemand nach einem Marktgang vorschlug, ans Meer zu fahren. „Fein“, sagten die andern. „Und was machen meine Tintenfische solange im Auto?“ sagte der Verrückte. Die Tintenfische in Weißwein ermutigten uns an diesem Abend zu einigen klärenden Worten. Und obwohl der Verrückte unseren Begehrlichkeiten („Auch mal Fleisch? Wieso Ristorante?“) kopfschüttelnd gegenüberstand, fanden wir doch einen Kompromiß: Ab sofort würde er nur noch jeden zweiten Tag Fisch kochen. Und bis auf einmal, als er heimlich Knurrhahn kaufte, waren damit alle sehr glücklich.

Dann kam der Tag, an dem wir ihm gestattet hatten, außer der Reihe einen („lebendigen!“) Hummer zu kaufen. Der einzige Topf, in den das schöne Tier paßte, war ein uralter Schnellkochtopf ohne Dichtungsring, und die einzige, die sich bereit fand, das schöne Tier („Kopfüber!“) in den kochenden Sud zu befördern, war ich. Daß ich nach der vorgeschriebenen Garzeit dann den Deckel heillos verkantete, trieb den Verrückten zur Raserei. Unter Verwünschungen und mit Hammer und Meißel befreite er den Hummer aber dann doch noch rechtzeitig und servierte ihn uns mit zerlassener Butter.

Er war, liebe Hummertötungsundverzehrgegner, ganz vorzüglich. Bei Gelegenheit bring' ich gern wieder mal einen um. Auch für den Verrückten.