Träumereien

■ Am 27. November verabschieden die Privatfunker ihre "Medienordnung 2000 plus"

Deutschlands Privatfunker haben einen Traum. Darin liegt ein weißes Blatt Papier vor ihnen, worauf die Fernseh- und Radioverkäufer malen und malen und die ganze Rundfunkordnung nach ihren Wünschen ganz neu sortieren dürfen: Endlich die angeblich so wohltuenden Kräfte des Marktes über die Massenmedien regieren lassen. Endlich ARD und ZDF die Werbung verbieten, weil sie ja ihre „Zwangsgebühren“ haben – aber halt! Das Papier ist ja weiß, und da könnten die Öffentlich-Rechtlichen ja gleich an den Steuertropf gehängt werden, bei der Gelegenheit.

Derzeit träumen sie wieder, die Privatfunkmenschen. Am 27. November soll die Mitgliederversammlung des Verbandes Privater Rundfunk und Telekommunikation (VPRT) eine sogenannte „Kommunikations- und Medienordnung 2000 plus“ verabschieden. „Wir haben gesagt: Laßt uns mal an morgen denken“, schwärmt VPRT-Geschäftsführerin Ursula Adelt. Vorbereitende Klausurtagungen, Expertisen von Wissenschaftlern, Vorstandssitzungen. Im Endspurt ein bißchen Zank, und in hektischer Betriebsamkeit werden die einzelnen Entwürfe zwischen Leithammeln der Privatfunklobby hin- und hergeschickt. Wieviel Radios pro ARD-Anstalt? Wie genau sollen die Aufgaben von ARD und ZDF definiert werden? Und wie ausführlich wird auf die Abschaffung der Werbung bei den Öffentlich-Rechtlichen eingegangen, obwohl das ja eine uralte, aber doch so sehr am Herzen liegende Forderung ist?

Das Tragisch-Komische ist, daß die Träumereien des Privatfunks immer spätestens beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe vor die Wand knallen. Solchen Forderungen, die auf die Abschaffung der ARD hinausliefen, sagt deshalb auch NDR-Intendant Jobst Plog lapidar, stünden sechs Verfassungsgerichtsurteile gegenüber. Nach den Richtersprüchen ist Kommerzfunk überhaupt nur zulässig, weil es öffentlich-rechtliche Programme gibt, die die Grundversorgung sichern. Die nach den Gesetzen des Marktes agierenden Privaten könnten die nicht leisten. „Das Wortmonstrum Grundversorgung“ sei von den Öffentlich-Rechtlichen verwässert, erlaube ihnen alles, mosert Lobbyistin Adelt frustriert. Das Grundsatzpapier ihres Verbandes will deshalb auch einen „breiten gesellschaftlichen Konsens“ zur Rechtfertigung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Und die Gesellschaft sei die Politik, sagt Adelt.

Für die Privatfunklobby wäre so etwas toll, denn viele Politiker haben sie schon rumgekriegt, die Karlsruher Richter sind dagegen eher stur: „Leider ersetzen immer mehr Bundesländer ihre Medienpolitik durch Standortpolitik“, sagt NDR-Chef Plog, „das Bundesverfassungsgericht wird den öffentlich-rechtichen Rundfunk aber auch in Zukunft verteidigen.“

Die Öffentlich-Rechtlichen stützen ihr Vertrauen in Karlsruhe vor allem auf Dieter Grimm, der sich als Richter im Ersten Senat mit der Rundfunkrechtsprechung befaßt. Zwar äußert er sich selten öffentlich, doch sein letztes Interview mit der Zeit hallt immer noch nach. Derjenige Rundfunk, der für die demokratische Gesellschaft nötig sei, sei „nicht die automatische Folge des Marktes“. Auffällig sei die Zunahme von „Sex and Crime, von aggressivem Journalismus und Zurschaustellung des Privaten und Intimen“ seit Einführung des kommerziellen Rundfunks.

„Auch die Damen und Herren des Ersten Senats werden über kurz oder lang vor der Frage stehen, daß die Fortschreibung ihrer Rechtsprechung nicht mehr zeitgemäß ist“, sagt Ursula Adelt vom VPRT, und so soll's auch in der „Kommunikationsordnung 2000 plus“ stehen. Eine Richterschelte sei das nicht: „Man kann sehr wohl konstruktive Kritik üben.“ Man könnte denken, solange das vollgeschriebene Papier in Karlsruher Mülleimern landet, soll's ARD und ZDF recht sein. Intendant Plog will den Einfluß der Wunschlisten der Privatfunklobby dennoch nicht unterschätzen: „Es geht um viel Geld – und um das Überleben einiger Sender. Da werden die Attacken härter.“ Georg Löwisch