„Behörde ein Ort der Gewalt“

■ Bremer Antirassismustage: Ausländerbehörde ist Thema einer Podiumsdiskussion des Kulturzentrums Lagerhaus

Im Publikum murrt es, aber zum Eklat kommt es nicht. Auf dem Podium „MigrantInnen bei der Ausländerbehörde“, einer Veranstaltung im Rahmen der Bremer Antirassismustage, sagt Innensenator Ralf Borttscheller (CDU) Sätze wie: „Die Beachtung und Einhaltung von geltenden Gesetzen – an sich etwas Selbstverständliches – wird für den einzelnen in der Entscheidungsverantwortung stehenden Mitarbeiter des Ausländeramtes häufig zur Mutprobe.“Und: „Würden wir auf die tatsächliche Ausreise verzichten, liefe das ganze Asylverfahren – ....ins Leere.“Zaghafte Buhrufe.

Neben Borttschellers Einführungsreferat befaßten sich sechs weitere Vorträge mit Strukturverbesserungen in der Ausländerbehörde. Einige ZuhörerInnen mochten lieber über deren Abschaffung reden. Spätestens nachdem Klaus Sieveking von der Uni Bremen über „Verwaltung an sich“referierte, war das Publikum vollends verwirrt über Sinn und Zweck der Veranstaltung.

Viele MigrantInnen hatten einfach das Bedürfnis, über ihre Erfahrungen mit der Ausländerbehörde zu reden. Einige machten konstruktive Vorschläge für eine Verbesserung der Angebote des Amtes. Sie forderten erweiterte Öffnungszeiten, mehr Personal, freundlicheres Auftreten, bessere Qualifikation der BeamtInnen, Verlagerung der Dienstleistungen in die Ortsämter, Einstellung von mehrsprachigen MigrantInnen. Die Mehrheit des Publikums ließ sich eine allgemein politische Diskussion über Asylpolitik in Deutschland nicht aufzwingen, Mitglieder des Antirassismusbüros versuchten mehrfach die Veranstaltung an sich zu reißen: „Laßt uns über die Verhinderung von Abschiebung diskutieren.“

Nach dem schnellen Abgang von Senator Borttscheller blieb es Dieter Trappmann, Abteilungsleiter der Ausländerbehörde im Bremer Stadtamt vorbehalten, das Publikum aus der Reserve zu locken. Mit dem distanzierten Charme einer durchdrehenden Kreissäge meinte Trappmann: „Wir in der Behörde sind nicht verantwortlich, wir führen nur Anweisungen aus.“Das sei die Philosophie von Schreibtischtätern, wurde ihm vorgeworfen. Sein Amt nannte Trappmann eine Aufenthaltserlaubnis-Erteilungs-Behörde. Mißstände seien erklärbar durch die Überlastung des Personals. Seine Leute seien freundlich, kompetent und überhaupt nicht rassistisch. Schließlich gäbe es auch schlechte Ausländer, unter denen litten seine BeamtInnen schrecklich. „Wir tun das, was von der Mehrheit in Deutschland politisch gewollt wird“, konterte Trappmann alle Hinweise auf Entscheidungsspielräume seiner Behörde.

MigrantInnen erinnerten Trappmann daran, das sein Amt keine Briefmarken verkaufe, sondern über Schicksale entscheide. Den Hinweis, daß es neben Ausländergesetzen auch Menschenrechte gäbe, verstand Trappmann nicht. Plötzlich diskutierte der Saal über Ibrahim aus Togo, der 15jährige soll mit seinem Bruder aus Bremen abgeschoben werden, obwohl ihm in seiner Heimat eine ungewisse Zukunft droht. Die Mutter ist tot, der Vater bei der Polizei „verschwunden“. Da beschweren sich Leute, daß sie grundsätzlich in der Ausländerbehörde geduzt würden. „Ich bin nicht zuständig – mit diesem Spruch werden wir von Büro zu Büro geschickt.“Da beklagt sich ein Mann, der eine Ukrainerin heiraten will: „Ihre Behörde hat mir gesagt, daß die Tochter meiner Frau nicht mit uns in Deutschland wohnen kann.“Da wies eine kurdische Familie darauf hin, daß ein Beschluß der Ausländerbehörde ihre Familie auseinandergerissen habe. Zwei ihrer Kinder leben zur Zeit in der Türkei und erhalten keine Zuzugsgenehmigung nach Deutschland. „Sie suchen nur nach Gründen, uns abschieben zu können.“Und: „Ihre Behörde ist ein Ort der Gewalt“. Nicht Parolen heizen jetzt die Stimmung im Saal an, sondern das alltägliche Erleben von Rassismus. Aber den, so Trappmann, soll es laut Dienstanweisung gar nicht geben.

Thomas Schumacher