Bestechungsgeld für Sprengmeister?

■ Der Volksheld Harry W., der 1.000 Bomben entschärfte, sitzt auf der Anklagebank / Er soll zwei Millionen Mark Schaden angerichtet haben

Was für ein Held. Über 1.000 Bomben, Granaten und Sprengkörper hat Harry W. zwischen 1978 und 1993 in Bremen und Umgebung entschärft. Darunter eine fünf-Zentner Bombe beim Diako in Gröpelingen, eine zehn-Zentner-Bombe bei Becks. Seelenruhig löste Harry W. per Knopfdruck kurz vor der Sprengung die Kameras der in Deckung gegangenen Fernsehteams aus. Anschließend strahlte der Sprengmeister ins Blitzgewitter der Fotografen und gab Interviews. Ein Volksheld, der sein Leben riskierte und der mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wurde.

Gestern saß Harry W. auf der Anklagebank des Landgerichts. Ein kleiner, eher schmächtiger Mann mit dünner Stimme und eingefallenen Wangen. Bestechlichkeit, und die Verletzung von Dienstgeheimnissen wirft der Staatsanwalt dem suspendierten Polizeihauptkommissar vor. Er soll fingierte Rechnungen der Firma „Bremer Kampfmittelbeseitungs-GmbH“(BKB) als „sachlich richtig“abgezeichnet und zur Zahlung freigegeben haben. Laut Anklageschrift hat er dafür insgesamt 46.000 Mark kassiert. Außerdem soll er der BKB die Angebote der Konkurrenz zugeschanzt haben. Als Dankeschön lud ihn die BKB angeblich zu Weihnachtsfeiern nach Istanbul und Wien ein. Auch die privaten Tankrechnungen von rund 1.500 Mark soll die BKB für Harry W. bezahlt haben. Die Staatsanwaltschaft beziffert den Gesamtschaden auf rund zwei Millionen Mark.

Klaus S., der Geschäftsführer der BKB, mit dem Harry W. „in arbeitsteiliger Vorgehensweise“gemeinsame Sache gemacht haben soll, sitzt nur etwa zwei Meter von Harry W. entfernt wegen Bestechung und Betrugs auf der Anklagebank. 11.000 Mark habe er Harry W. gezahlt, damit dieser seine Scheidung bezahlten konnte, sagt der Staatsanwalt. Doch im Gerichtssaal würdigen sich die Männer keines Blickes. Harry W. sieht sich als Opfer von Klaus S. „Ich habe weder finanzielle Zuwendungen bekommen, noch habe ich gewußt, daß er mir Dinge unterschiebt“, versichert Harry W. 1991 sei er in „einer Flut von Aufträgen“„untergegangen“, so daß die Stadt private Kampfmittelräumungsdienste einsetzen mußte. Damit die Firmen nicht so lange auf ihr Geld warten mußten, habe er die Rechnungen mit „sachlich richtig“abgezeichnet. „Ich wußte doch, das da Kampfmittel lagen. Die konnten nur nicht geräumt werden, weil sich in der Behörde niemand zuständig fühlte, die Rechnungen abzuzeichnen“, stellt sich W. als Idealist dar. Daß er seinen Bombenjob geliebt hat, ist noch heute zu spüren. Presseberichten zufolge soll W. sogar Atrappen in die Luft gejagt haben, wenn er keine richtigen Bomben fand. In schwärmerischem Ton beschreibt Harry W. seinen steilen Aufstieg vom Streifenpolizisten zum Sprengmeister. Sein Lehrer, der ehemalige Chef des Bremer Sprengkommandos sei „ein Frontschwein“und „ein harter Hund“gewesen. „Richtig getriezt“hätte er ihn, erinnert sich Harry W. und zwar so, „daß man das Handwerkszeug für ewige Zeiten verinnerlicht hat.“

Der Vorsitzende Richter scheint W. nicht zu glauben. Klaus S. habe Rechnungen eingereicht, obwohl seine Mitarbeiter monatelang nicht gearbeitet hätten, hält er dem Angeklagten vor. Außerdem habe sich Harry W. „regelrecht danach gedrängt“die Genehmigung zu bekommen, die Rechnungen abzeichnen zu dürfen. Ende 1991 hätte er sogar ohne Genehmigung Rechnungen abgezeichnet. Zur gleichen Zeit nimmt Klaus S. 25.000 Mark aus der Firmenkasse. Kurz darauf zahlt Harry W. 25.000 Mark auf sein Konto ein.

Bestechungsgeld, vermutet der Staatsanwalt. Klaus S. widerspricht. Er habe Harry W. kein Geld gezahlt. Auch die Angebote der Konkurrenz seien ihm nicht von Harry W., sondern von dessen Vertreter zugespielt worden. Die 25.000 Mark habe er „aus familiären Grünen“gebraucht. Genaueres will er nicht sagen, zumindest nicht in öffentlicher Sitzung.

Kerstin Schneider

Der Prozeß wird fortgesetzt.