■ Die Berliner Psychoanalytikerin Heidrun Hankammer plädiert für den heiteren Aufbruch der Schwiegertöchter
: Auch der Giftmord ist keine Lösung

taz: Warum tun sich auch selbstbewußte Frauen den Tort mit der Schwiegermutter an?

Heidrun Hankammer: Wenn eine Frau sich für länger mit einem Mann zusammentut, wirkt sie erst mal im Herrschaftsbereich der Schwiegermutter. Da hilft es der Frau auch nicht, ihm zu sagen, du überträgst deine Mutter auf mich, geh zur Therapie. Was soll er anderes übertragen? Die Mutter hat er schließlich als erste Frau geliebt. – Die Schwiegermutter ist die Frau, mit der die Schwiegertochter konkurrieren muß, ob sie will oder nicht. Dabei ist es egal, ob Schwiegermutter lebt oder nicht. Die Frau spürt sie auf sich als Erwartung, daß die Liebe wie bei Mutter schmeckt.

Solche Konflikte können doch aber zwischen erwachsenen Menschen gelöst werden?

Es gibt ja in der Bibel das berühmte Bild von Ruth, die denselben Mann liebt wie ihre Schwiegermutter, er ist deren Sohn. Der Mann ist sonst innerlich zerrissen. Wenn seine Mutter ihn zu einem Mann erzogen hat, dann gibt es weniger Probleme. Dann weiß sie auch, daß der Sohn nicht der Mann für sie ist, und dann hat sie auch Verständnis für ihre Schwiegertochter. Dann ist sie eigentlich, was man analytisch genital reif nennen würde. Aber meist ist es so, daß die Symbiose zwischen Mutter und Sohn nicht ganz aufgelöst wird.

Der Sohn als Ersatzehemann der Mutter? Viele Frauen sagen, die Schwiegermutter behandle ihren Sohn noch immer wie einen kleinen Jungen.

Die Konkurrenz um den Mann greift vor allem dann, wenn die Mutter in der eigenen Beziehung nicht befriedigt war. Sie darf ja nicht den Anspruch an den Sohn als Mann haben. Also ist der Kampf zwischen Schwiegermutter und Schwiegertochter der, ob er noch ein Junge sein darf oder ob man verlangen kann, daß er ein Mann ist. Als Mann entgleitet er der Schwiegermutter, und das ist der gefürchtete Liebesverlust. – Das geheime Matriarchat tobt sich im Schatten patriarchaler Strukturen über die Schwiegermütter aus. Und bei den Frauen kommt noch dazu, daß sie meistens den bösen Anteil ihrer eigenen Mutter auf die Schwiegermutter projizieren.

Die Schwiegermutter als die böse Stiefmutter aus dem Märchen?

Das ist die andere Seite des Problems, die der Schwiegertöchter. Die Schwiegermutter kriegt den Stiefmutteraspekt, weil man sie ungehemmter ablehnen kann als die eigene Mutter.

Solche Konflikte sind ja oft sehr unterschwellig, zum Beispiel wenn die Schwiegermutter die Schwiegertochter mit Tadel in der Stimme auffordert, dem Sohn doch mal zu sagen, daß er zum Friseur müsse. Mit dem Zungenschlag, der eigentlich meint, bei dir verwahrlost er.

Es ist nur eine Ebene des Machtkampfes, daß die Schwiegermutter sagen will: Auf mich hört er ja nicht mehr, und nun kannst du ihn ja vielleicht dazu bringen, das zu tun, was ich von ihm will. Damit er auch in Zukunft in den Verhältnissen lebt, wie Mutter sie geschaffen hat, delegiert sie gleichzeitig ihren Herrschaftsanspruch bei den Dingen, die dem Sohn unangenehm sind, an die Schwiegertochter. Das heißt eigentlich, ich bin seine liebe Mami, und du sollst die böse Mami sein. In jedem Fall ist es Mami. Es ist die Anstiftung zum Mamisein.

Warum suchen Frauen oft so lange so verzweifelt die Anerkennung der Schwiegermutter, der sie es doch nie recht machen können?

Das ist der Versuch, von ihr mehr geliebt zu werden als von der eigenen Mutter, sozusagen der zweite Versuch. Aber weil es um Konkurrenz geht, dürfen sie es gar nicht recht machen. Sie glauben, nicht gut genug zu sein, dabei sind sie längst zu gut, also müssen sie abgewertet werden. Je mehr die Frau gibt, um so stärker wird die Abwehr der Schwiegermutter, und um so weniger hat der Mann eine Chance, sich ebenbürtig zu fühlen. Und dann sucht er sich eine Geliebte, die von ihm abhängt und die er verwöhnen kann, weil er sich an diese beiden perfekten Frauen nicht mehr herantraut, die ihm immer vorhalten, was sie alles für ihn tun.

Was ist die Lösung solcher Konflikte? Mindestens 300 Kilometer weit wegziehen?

Nein. Selbst der Tod nützt nichts, auch Giftmord ist keine Lösung. Der Mann hat diese Mutter verinnerlicht. Wenn es die nicht mehr gibt, sind die Probleme noch versteckter. Gehen heißt für die Frau nicht, Kampf- oder Fluchtmechanismus, sondern bedeutet weitergehen. In der Bibel heißt es, er soll Vater und Mutter verlassen und seinem Weib folgen. Folgen kann er natürlich nur, wenn sie geht, vorangeht in der Entwicklung, die sie für die Beziehung wünscht und als die Frau, als die sie geliebt werden will. Dann stellt sie ihn vor eine echte Wahl. Bleib bei ihr, oder komm mit mir. Das setzt natürlich voraus, daß man bei diesem Aufbruch auch heiter und zuversichtlich ins gelobte Land geht, wo man dann nicht mehr Tochter ist, auch nicht Schwiegertochter, sondern Frau unter Frauen.

Das ist mir eigentlich zuwenig vom Mann gefordert.

Dazu braucht es ein völlig neues Mannsbild. Denn es ist für einen Mann nicht einfach, seiner Frau zu folgen und nach 2.000 Jahren Patriarchat ohne Gesichtsverlust mitgehen zu können. Ich nehme an, daß Männer auch Männer lieben lernen müssen, um überhaupt glauben zu können, daß sie als Männer geliebt werden und nicht nur als Söhne. Interview: Heide Platen