Bremer Beinkleid fliegt ins All

■ Die Dasa hat die teuerste Hose der Welt für medizinische Experimente in der Schwerelosigkeit konstruiert

Sie ist die teuerste „Hose“der Welt, ihre Entwicklung hat Millionen verschlungen – und am Donnerstag soll sie von der Nasa mit in den Weltraum geschossen werden. Spezialisten des Produktbereichs Raumfahrt-Infrastruktur der Daimler-Benz Aerospace (Dasa) in Bremen haben im Auftrag der Deutschen Forschungsanstalt für Luft- und Raumfahrt (DLR) die „Unterdruckhose“entwickelt und „gebaut“. Das ungewöhnliche Beinkleid ist deutscher Bestandteil der internationalen Spacelab-Mission „Neurolab“und soll für medizinische Experimente im All eingesetzt werden.

Der Name ist Programm: Die Hose mit dem Namen „Neuro“(als Abkürzung für Neurologie, der Lehre von Nerven und ihren Erkrankungen) dient der medizinischen Forschung. Der Projektmanager von „Neurolab“, Peter Nobmann, erklärt: „Mit diesem Gerät soll das Herzkreislauf-Verhalten von Astronauten in der Schwerelosigkeit untersucht werden.“

Das Herz müsse unter der irdischen Schwerkraft das Blut aus den Beinen bis in den Kopf pumpen. In der Schwerelosigkeit des Weltraums ist die Arbeit des Herzens leichter.

Nach der Landung auf der Erde muß das Herz wieder wesentlich mehr leisten, obwohl es sich eigentlich auf die viel bequemere Arbeit im All eingestellt hat. „Deswegen leiden viele Astronauten unter Gleichgewichtsstörungen und Herzkreislauf-Beschwerden“, sagt Nobmann. Dies sei ungefähr vergleichbar mit dem Patienten, der drei Wochen in der Klinik liege und plötzlich wieder aufstehe. Was nun welche Ursache hat, versucht man mit der Unterdruckhose herauszubekommen. Bei der „Neurolab“-Mission schlüpft nach Nobmanns Angaben ein Astronaut im Weltall in die „Hose“. Das Gerät simuliert dann die Schwerkraft und sofort muß das Herz einen Teil der gewohnten Leistung bringen. Gleichzeitig wird bei dem Mann ein Nerv am Bein angestochen, der direkten Kontakt zum Herzkreislauf-System hat und Signale des Herzens weitergibt.

Die Medizin auf der Erde erhofft sich von dem Versuch im Weltraum Erkenntnisse darüber, warum es bettlägrigen Patienten zumeist schlecht ergeht, wenn sie wieder aufstehen können und wie das künftig zu verhindern ist. Die in Bremen entwickelte zylindrische Unterdruckhose unterscheidet sich von allen Varianten anderer Unterdruckbehälter in der Welt. Nobmann: „Sie bietet die Möglichkeit, dem Probanden durch luftdichte Reißverschlüsse hindurch hochsensible Sensorik anzulegen.“Außerdem sei sie faltbar und damit platzsparend.

Nobmann hat die „Hose“zusammen mit einem weiteren und einem sporadisch helfenden Mitarbeiter in zehn Monaten entwickelt. „Dabei haben wir für insgesamt drei Modelle etwa 3,2 Millionen Mark verbraucht.“Die Nasa war von der Anlage so angetan, daß sie einen umfassenderen und komplizierteren Unterdruckbehälter für die künftige Raumstation in Auftrag gab – Gesamtvolumen 5,2 Millionen Mark. Den Auftrag haben Nobmann und seine Mitarbeiter gewonnen. Gerd Simberger, dpa