Lauter technische Revolutionen

■ Forscher aus Bremen stellten Erfindungen auf der Hannover-Mese vor: Kluge Heizungsanlagen, Schleifmaschinen, Autos

Der Mensch sei das Maß aller Dinge. Mögen Ökologen diesen Leitspruch der Renaissance auch eher skeptisch beäugen, Bremens Ingenieure schlagen aus ihm noch immer so manche Erfindung heraus. Dies machte gestern der Ingenieur-Professor Hans-Werner Phillipsen als einer von zehn Industrieforschern klar, die kommende Woche auf der Hannover Industrie Messe (20. bis 25. April) die Innovationskraft des Landes Bremen beweisen sollen.

Hans-Werner Phillipsen und seine Mitarbeiter am Institut für Informatik und Automation in der Bremer Hochschule nahmen sich das menschliche Gehirn zum Vorbild, als sie sich auf die Suche nach einem halbwegs intelligenten Reglersystem für Großanlagen machten. Für Heizungsanlagen in Bürohäusern beispielsweise, damit der Hausmeister nicht ständig durchs Haus fegen muß um Thermometer abzulesen.

Natürlich sei das neuronale Netz des Menschen nur äußerst grob zu kopieren, sagte der Ingenieur gestern selbstkritisch anläßlich der Vorstellung von Bremens Messe-Projekten. Aber immerhin: Ein System könne man nun den Vertretern von Großunternehmen in Hannover vorstellen. Ein System, das wie das menschliche Gehirn lauter Verarbeitungseinheiten (Neuronen) zu einem Netz verschaltet. Der Gewinn sei Erkenntnis mittels Chaos-Wahrnehmung: Die Software aus dem Institut für Informatik produziere „aus unvollständigen Daten sinnvolle Erkenntnisse“und stelle den Regler ein – ähnlich, wie wenn der menschliche Gedächtnisapparat aus „einer schlechten Fotografie“ein Gesicht herausliest (und sich darauf seine Reime macht).

Nicht alle der anwesenden Ingenieure konnten ihr Wissen gestern so assoziativ darstellen wie Hans-Werner Phillipsen. Allen gemeinsam aber war die Freude am Anpreisen ihrer Produkte und die Betonung ihrer Praktikabilität.

Gleich mehrfach auf der Messe nächste Woche wird der Bremer Forschungsverbund Materialwissenschaften (Matec) vertreten sein, zu dem sich an der Universität Bremen zwölf Institute und An-Institute zusammengeschlossen haben, um neue Werkstoffe so weit zu entwickeln, daß verkaufbare Produkte dabei entstehen. Sensoren beispielsweise, die mit ihren zwei Millimetern Größe die Luftmeßstationen, die sonst als Container in Bremens Stadtlandschaft herumstehen, auf Schuhkartongröße zusammenschmelzen. Das, betonte gestern Oliver Kayser vom Institut für Mikrosensoren, akutatoren und -system (Imsas) könne in Kürze in Serienproduktion gehen – Interessenten gäbe es schon eine ganze Latte. Zu einem Preis von ein paar Mark könnte die Autoindustrie diese Sensoren im Innenraum eines jeden Kleinwagens anbringen. Die kluge Elektronik vermeldet dort jenen akuten Überschuß an schlechter Luft, der sich im Gefühlshaushalt des nicht so klugen Autofahrers höchstens als 'toter Punkt' gemeldet hätte – „damit nehmen wir direkten Einfluß auf die Unfallraten“, so Kayser mit Erfinderstolz.

Bis sein Matec-Kollege Christian Böhm vom Institut für Werkstofftechnik (IWT) Schleifmaschinen auch seriell mit Minisensoren bestücken kann, dauert es hingegen noch. Daß es aber klappen wird, dessen ist auch er sich sicher. Und das werde die Revolutionierung einer Technik bedeuten – des Schleifens –, die „das älteste Bearbeitungsverfahren der Menschheit“sei, aber auch das am wenigsten entwickelte. In dieses Erdzeitalter schaltet sich Christian Böhm mit seinen Sensoren ein, die der Schleifmaschine ständig Daten über Erhitzung, Kühlschmierstoff-Verbrauch und Oberflächenbeschaffenheit des geschliffenen Wälzlagers abliest.

Auch der Ingenieur des IWT wird auf der Hannover Industrie Messe sein Produkt schon nächste Woche vorstellen dürfen – gemeinsam mit Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Hamburg am Gemeinschaftsstand „Technologie aus Norddeutschland“. Bremens Wirschaftssenator Josef Hattig (CDU) läßt sich das insgesamt 180.000 Mark kosten. ritz