■ Österreich: Der Wiener Kardinal Groer tritt wegen Sexaffäre zurück
: Ein kardinaler Triumph

Das wär doch zu lustig gewesen. Der Papst kommt nach Österreich (vom 19. bis 21. Juni), und allerhand Sprechchöre schallen und Transparente flattern zu seiner Begrüßung. Die bösen Menschen vom „Kirchenvolksbegehren“ (500.000 Unterschriften) versauen dem guten Papst den schönen Besuch.

Für den neuen, jungen, nach Dynamik strebenden Wiener Kardinal Christoph Schönborn aus altem böhmischem Adel – wäre das eine Katastrophe, zu der es jetzt wohl nicht kommen wird. Alles wurde ausgebügelt, gerade noch rechtzeitig. Der Kardinal, konservativ, aber unwandelbar freundlich und gesprächsbereit, vor allem jetzt, wo's heikel zu werden drohte – hat die „Volksbegehrler“ zum „Dialog“ eingeladen.

Die harte Linie des Bischofs von St. Pölten (Niederösterreich), Kurt Krenn, ist gescheitert. Er, der Rivale Schönborns und in den Medien ein beliebter Buhmann, ist von Rom zurückgepfiffen worden.

Und der Vorgänger Schönborns, Kardinal Groer, anstößig wegen teils angeblicher, teils wohl wirklicher Unzucht mit Knaben und jungen Priestern – wurde vom Papst all seiner Funktionen enthoben.

Die „Affäre Groer“ war es, die eine schwere Kirchenkrise in Österreich auslöste. Sie war freilich schon vorher da, aber Groer war erstklassig geeignet, die Krise auf den Gipfel zu bringen. Die Medien waren begeistert. Die Untaten eines Kirchenfürsten – so guten Stoff gab's lange nicht.

Da zeigte sich, daß die Kirche zwar lange braucht, bis sie eine Situation begreift, dann aber, in die Enge getrieben, auch sehr rasch reagieren kann. Der junge Kardinal brachte den alten Papst zum geradezu blitzschnellen Handeln. Jetzt sind alle froh, die „Progressiven“ über ihren Erfolg, die „Konservativen“, daß jetzt endlich – hoffen sie – Ruhe und Ordnung zurückkehrt in die österreichische Kirche, die ohnehin in keinem besonders guten Zustand ist.

Wie wird's weitergehen? Wie Revolutionen eben verlaufen. Der Monarch gibt nach, solange die Hilfstruppen noch nicht eingetroffen sind. Sind sie dann da, pfeift ein anderer Wind. Mit dem Einmarsch des Papstes wird die Affäre Groer endgültig ausgestanden sein. Der junge Kardinal Christoph Schönborn feiert seinen Triumph.

Aber die „Kirchenvolksbegehrer“ warten seit sechs Jahren mit viel Schafsgeduld darauf, daß die offizielle Kirche sich mit ihnen befaßt. Eine demokratische Kirche, Frauen als Priesterinnen, breite Öffnung zur modernen Welt – sind ihre Wünsche.

Von den 600 Delegierten einer kommenden Veranstaltung zur Reform der österreichischen Kirche sind nun gerade zwei Vertreter des Kirchenvolksbegehrens vorgesehen für den „Dialog“.

Lachen tät' ich, wenn's beim Papstbesuch trotzdem Sprechchöre gibt. Günther Nenning

Der Autor lebt als freier Publizist in Wien