Temporeiche Hochzeitstänze

Von der tiefsten Provinz zur Prominenz: „Taraf de Haidouks“ ist mittlerweile die weltweit bekannteste Musikgruppe Rumäniens. Sie ist keine Band im herkömmlichen Sinn, sondern ein Zusammenschluß von sechzig BerufsmusikerInnen aus einem Dorf in der Walachei. Im November kommt die Gruppe für sechs Konzerte in die Bundesrepublik  ■ Von
Bernd Markowsky (Fotos) und Thomas Bhonet (Text)

Clejani – ein Dreitausendseelendorf im rumänischen Südosten, in der sprichwörtlichen Walachei gelegen. Eine ungeteerte Hauptstraße, armselige Hütten, eine Kneipe. Rund sechzig aktive Berufsmusiker leben in Clejani, jeder zehnte Dorfbewohner ist Rom. Üblicherweise bilden vier oder fünf Musikanten, in wechselnden Konstellationen, eine Gruppe für eine Hochzeit oder eine andere Feier. Je nachdem, wieviel Geld jemand hat und für sein Fest ausgeben kann, werden die Bands zusammengestellt.

„Entdeckt“ wurde die Musikergemeinde 1989, kurz vor dem Sturz des rumänischen Diktators Nicolai Ceausescu. Der belgische Musikfan Stephane Karo reiste damals durch Osteuropa und stieß in Clejani auf die Zigeunermusiker. Bis dahin waren die „lautari“, wie sich die traditionellen Berufsmusiker nennen, nie außerhalb ihrer Region live aufgetreten. Schnell reifte der Plan, etwas mit den Virtuosen aus dem rumänischen Niemandsland zu machen.

Da die Musikanten in ihrer Heimat keinen Namen hatten, mußte erst noch einer gefunden werden. Wobei man schnell auf Taraf de Haidouks kam. „Taraf“ bedeutet einfach Orchester, während Haidouk an eine Gruppe von Freiheitskämpfern aus dem 18. Jahrhundert erinnern soll: Räuber, die damals in bester Robin-Hood-Manier die reichen Großgrundbesitzer ausplünderten und die Beute unter den Armen aufteilten. Die Musik der Taraf de Haidouks ist ein buntes Gemisch verschiedener Traditionen. Hier trifft der Folk des Balkan auf Orientalisches, bulgarische Themen prallen auf türkische Melodien, rumänische, ungarische, jugoslawische und griechische Folklore verschmilzt zu einem neuen Ganzen. Die Musiker arbeiten mit traditionellem Material, improvisieren viel und überarbeiten anderes neu. So entstehen abenteuerliche Arrangements.

Balladen und Liebesgeschichten sind die Domäne der älteren Bandmitglieder wie Ilie Iorga, Cacurica oder des Geigers Ion Manole, mit 77 Jahren der Senior der Gruppe. Der alte Herr mit Hut und Brille spielt trotz fortgeschrittenen Alters und einer gewissen Taubheit eine ausgesprochen wilde Violine. Neben dramatischen Geschichten um Liebe und Eros sind es aber vor allem die verwegen klingenden Hochzeitstänze, die beeindrucken – Instrumentals im Hochgeschwindigkeitsrausch.

Seitdem die Taraf de Haidouks in die Welt gezogen sind, können die Musiker und ihre Familien von den Einnahmen aus Konzerten und Plattenverkäufen leben, wobei einzelne Bandmitglieder einen großen Familienverband ernähren müssen. In Clejani selbst macht man sich derzeit auch daran, den Nachwuchs musikalisch auszubilden. So lernen die Kinder, Instrumente zu spielen. Auch die Mädchen, was bislang in der stark patriarchalisch geprägten Gesellschaft nicht selbstverständlich war. Da spielt jetzt eine das Cymbal, die andere lernt Akkordeon, und auch die Tochter des Akkordeonisten Ionitsa übt sich an der Geige und auf dem Piano.

„Daß sich hier einiges verändert hat, liegt auch daran, daß die Musiker auf Tournee sind“, erklärt Michel Winter, der belgische Betreuer der Gruppe. „Auf Tour sehen sie, daß es auf der ganzen Welt auch Musikerinnen gibt – daß also nicht nur Männer spielen dürfen.“

Tourdaten:

3.11. Freiburg, Jazzhaus; 8.11. Hannover, Pavillon; 9.11. Hamburg, Curio Haus; 11.11. Köln, Stadtgarten; 12.11. Stade, Jugendzentrum; 13.11. Berlin, Pfefferberg

Diskographie:

„Musiques de Tsiganes de Roumanie“ (1991), „Honourable brigands, magic horses and evil eye“ (1994), „Dumbala Dumba“ (1998); sämtliche CDs sind bei Crammed Discs/EfA erschienen