Die politische Struktur Rußlands

Die Verfassung von 1993 stellt erstmals in der Geschichte Rußlands die Menschen- und Freiheitsrechte an die erste Stelle. Rußland ist ein „demokratischer Rechtsstaat mit republikanischer Regierungsform“. Der Staatsaufbau wird bestimmt von der föderalen Struktur und der starken Stellung des Präsidenten.

Rußland ist ein Vielvölkerstaat. Grundsätzlich sind alle Ethnien gleichgestellt. Mit über 17 Millionen Quadratkilometern entfallen auf Rußland drei Viertel des ehemaligen Gebiets der Sowjetunion, es hat aber mit 150 Millionen Menschen nur etwa die Hälfte der Bevölkerung. Nach den Russen mit 120 Millionen stellen Tataren mit fünf bis sechs und Ukrainer mit etwa vier Millionen Menschen die nächstgrößeren ethnischen Gruppen. Es folgen Tschuwaschen, Baschkiren, Weißrussen und Deutsche sowie weitere 100 Minderheiten.

Die Föderation besteht aus 89 Einheiten: 21 Republiken, ein autonomes Gebiet und zehn autonome Kreise genießen nationale Sonderrechte. Nur dreißig Prozent der Nichtrussen leben jedoch auch in „ihrem“ Gebiet oder stellen dort die Mehrheit. Zum Beispiel sind nur zehn Prozent der Bevölkerung Kareliens – an der Grenze zu Finnland – Karelier. Zu den „russischen“ Landesteilen zählen sechs Regionen, 49 Gebiete sowie die Städte Moskau und St. Petersburg.

Trotz erheblicher Unterschiede in rechtlicher Ausgestaltung und Größe entsendet jede dieser Verwaltungseinheiten nur zwei Vertreter in den Föderationsrat, das Oberhaus des Parlaments. Das Unterhaus, die Staatsduma, hat 450 Abgeordnete, je zur Hälfte über Parteilisten und Direktmandate gewählt. Mit Ausnahme der ersten von 1993 bis 1995 dauert die Legislaturperiode vier Jahre.

Dem Präsidenten räumt die Verfassung umfassende Vollmachten ein. Er ernennt und entläßt einen Regierungschef seiner Wahl. Die Duma muß die Wahl des Präsidenten billigen. Lehnt sie den Regierungschef dreimal ab, kann der Präsident die Duma auflösen und Neuwahlen ansetzen. Er ernennt und entläßt auch die Minister.

Mißtrauensanträge der Duma an die Regierung kann der Präsident ignorieren. Wird der Regierung innerhalb von drei Monaten ein zweiter Mißtrauensantrag gestellt, kann der Präsident die Regierung entlassen oder die Duma auflösen.

Der Präsident gibt die Richtlinien in der Innen- und Außenpolitik vor. Dumagesetze kann der Präsident per Veto blockieren. Überstimmen Duma und Föderationsrat dieses jeweils mit Zweidrittelmehrheit, muß der Präsident das Gesetz unterzeichnen, kann aber Klage beim Verfassungsgericht einreichen – was beim „Beutekunstgesetz“ der Fall war.

Die Amtszeit des Präsidenten beträgt vier Jahre; er wird vom Volk gewählt und kann nur ein einziges Mal wiedergewählt werden. Derzeit berät das Verfassungsgericht, ob Jelzin im Jahr 2000 abermals kandidieren darf, da zum Zeitpunkt seiner ersten Wahl 1991 die derzeitige Verfassung noch nicht galt. Tobias Baumann