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Zuckersüße Mandeln

■ Der lange Weg des Marzipans von der Klosterspeise zur süßen Massenware

Viele halten Lübeck für die Hauptstadt des Marzipans. Da liegt es nahe, daß die Hansestadt ihrem bekanntesten Exportgut nun eine eigene Ausstellung widmet. „Vom Fürstenkonfekt zur Konsumware“ heißt die Hommage an die Mandelmasse, die ab Sonntag im Lübecker St. Annen-Museum zu sehen ist. Zusammengestellt wurde die Ausstellung von der Kunsthistorikerin Christa Pieske. „Ich fand es seltsam, daß es ausgerechnet in Lübeck kaum Material über die Kulturgeschichte des Marzipans gab“, erklärt sie. „Deshalb habe ich mich auf die Suche gemacht.“

Heraus kam eine Ausstellung über den Siegeszug des Marzipans um die Welt und seinen Wandel von der mittelalterlichen Klosterspeise zur Massenware. Zu sehen ist neben Gerätschaften zur Marzipanherstellung vor allem Marzipan aus aller Welt. Darunter auch Kuriositäten wie das koschere Marzipan aus Israel, das den religiösen Vorschriften gemäß während seiner Herstellung nicht mit tierischem Fett in Berührung kommen darf.

Ganz nebenbei relativiert die Ausstellung auch die Vorstellung von der Marzipan-Hauptstadt Lübeck. Denn bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts waren Lübeck und Königsberg gleichberechtigte Marzipanexporteure. Erst im Laufe des 19. Jahrhunderts lief die Lübecker Mandelmasse der aus Königsberg den Rang ab.

Widerlegt wird auch die Legende vom Ursprung des Marzipans: Die besagt, daß ein Bäckermeister während einer Hungersnot aus Mandeln, Zucker und Rosenwasser Brote fabrizierte, die „Marci panis“, Markusbrote genannt wurden. Wahrscheinlicher ist, daß das Marzipan im vorderen Orient schon um das Jahr 1000 nach Christus geschätzt wurde und dann über Spanien und Portugal im Mittelalter in die Klöster Europas gelangte.

Über die Rats- und Stadtapotheken fand es dann seinen Weg auf die adlige Tafel. Erst mit dem Aufkommen des billigen Rübenzuckers um die Mitte des 19. Jahrhunderts wurde Marzipan dann zur Massenware. Die Ausstellung zeichnet diesen Weg nach und beleuchtet die Geschichte von einigen der rund 90 Marzipanherstellern, die zwischen 1770 und 1935 in Lübeck tätig waren. Sie sind bis auf vier wieder von der Bildfläche verschwunden. Eva-Maria Mester

Die Ausstellung „Vom Fürstenkonfekt zur Konsumware“ ist vom 25. Oktober bis zum 31. Januar 1999 im St.-Annen-Museum in Lübeck zu sehen. Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag von 10 Uhr bis 16 Uhr.

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