: „Ich fühl' mich ganz entspannt und heiter“
■ Im Interview: Der Hamburger Oliver Petersen, der seit 15 Jahren als buddhistischer Mönch im Tibetischen Zentrum in Hamburg lebt
taz: Herr Petersen, wie begann Ihr heutiger Tag?
Oliver Petersen: Wohl nicht so typisch für einen Mönch. Ich hab' ununterbrochen telefoniert. Viele Presseleute rufen wegen des Dalai Lamas an.
Warum sind Sie eigentlich Bud-dhist geworden?
Ich bin hier in Hamburg nicht sehr religiös aufgewachsen. Mit dem Erwachsenwerden stellten sich mir dann aber die gleichen Sinnfragen, die man sich sonst in der Religion oder in der Philosophie stellt. Damals merkte ich, daß mir Familie und Job allein nicht ausreichen würden. Ich begann, Philosophie und Religionswissenschaften zu studieren.
Und dann wurden Sie Mönch?
Natürlich nicht sofort. Ich habe mir alles mögliche angeguckt, aber als ich auf den tibetischen Buddhismus traf, da spürte ich gleich eine starke Sympathie.
Was fasziniert Sie daran so?
Vor allem die Rationalität und die klare Logik. Buddha hat selbst gesagt, man soll nichts einfach so hinnehmen. Alles sollte erst einmal kritisch und skeptisch untersucht werden. Das heißt, ich stütze mich nicht auf eine Offenbarung, sondern auf persönliche Überzeugung und Erfahrung. Hinzu kommt natürlich mein Interesse für Meditation.
Meditation, das heißt stillsitzen und in sich gehen?
Nein, nein. Meditation bedeutet, daß man seinen Geist an gewisse Einstellungen gewöhnt, die im Buddhismus als heilsam angesehen werden. Dazu gehören zum Beispiel Mitgefühl, Geduld, aber auch Einsicht. Daher sind im Buddhismus Mitgefühl und Weisheit auch voneinander abhängig. Gerade diese Verbindung vermissen heute viele, die zwar viel wissen, aber emotional dadurch keine große Veränderung spüren.
Sind Sie glücklich?
Es geht im Buddhismus nicht darum, sofort glückselig zu werden. Aber ich bin sicher, daß es mir viel besser geht, als wenn ich den Buddhismus nicht hätte. Ich fühl' mich eigentlich ganz entspannt und heiter.
Und Sie vermissen nichts? Einen Job, eine Familie?
Doch. Aber wenn man sich für irgendetwas entscheidet, hat das immer auch Nachteile zur Folge. Damit muß man sich halt realistisch auseinandersetzen.
Haben Sie Angst vor dem Tod?
Ich glaube, jeder Mensch hat Angst vor dem Tod. Diese Angst ist doch eine der Grundmotivationen, überhaupt Religion zu praktizieren. Denn wenn man sich dem Tod bewußt nähert, wird man menschlicher. Man kann anders mit sich und anderen umgehen, und bestimmte Formen von Ehrgeiz oder übertriebene Konkurrenz fallen einfach weg.
Fragen: Karin Flothmann
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