Der Zahlmeister und die Bagger

■ Für Freunde der gepflegten Abendunterhaltung: Die Jahreshauptversammlung des FC St. Pauli

Für Freunde der gepflegten Abendunterhaltung gehören die Jahreshauptversammlungen des FC St. Pauli alljährlich zu den Pflichtveranstaltungen. Wenn das große Hauen und Stechen anhebt, die Mitglieder der verschiedenen Flügel im Verein ihre Kämpfe beginnen und ihr Terrain sichern wollen, bekommt jeder sein Fett weg.

Unvergessen, wie voriges Jahr die damalige Gattin des Präsidenten Heinz Weisener, Heidi, nur mit Mühe auf ihrem Platz zu halten war, als ihr Ehemann von Rednern ob seiner Regentschaft scharf angegriffen wurde. Oder wie der Aufsichtsrat und ehemalige SPD-Verteidigungsminister Hans Apel, angesprochen auf einen nicht satzungsgemäßen Abstimmungsvorgang, antwortete: „Und wenn ich es aber so will?“

Auch am kommenden Freitag bei der nächsten Mitgliederversammlung steht manches auf der Tagesordnung, was Konfliktpotential birgt. Da ist zunächst einmal ein Antrag, der im vergangenen Jahr vertagt wurde. Ronny Glaczynski wollte eine Namensänderung des Stadions durchsetzen, nachdem bekannt wurde, daß der Pate und ehemalige Präsident des Clubs, Wilhelm Koch, Mitglied der NSDAP gewesen war. Nach zum Teil heftiger und unsachlicher Diskussion einigte man sich darauf, den Beschluß um ein Jahr zu verlegen und zuvor den Hamburger Historiker Frank Bajohr zu beauftragen, ein Gutachten zum Thema zu erstellen. Dieses liegt inzwischen vor und entkräftet zumindest den Vorwurf, Koch habe sich 1933 bei der Übernahme eines jüdisch geführten Unternehmens bereichert.

Dennoch wird ein Gutteil der Mitgliederschaft auch dieses Mal wieder die Umbennenung der Arena fordern. „Ein öffentliches Gebäude in Hamburg“, so der Standpunkt eines Teiles der Fanszene, „darf nicht den Namen eines NSDAP-Mitgliedes tragen.“ Womit sich die Debatte verlagert hat von der Geschichte des Vereins im Dritten Reich, die laut Bajohr ohnehin aufgrund der mangelhaften Quellenlage nicht mehr zu erschließen sei, hin zur Idee, wie sich der FC St. Pauli in Zukunft nach außen präsentieren will. Wahrscheinlich wird sich der Vorschlag von Olaf Wuttke, GAL-Fraktionsvorsitzender in Altona, durchsetzen: „Man sollte das neue Stadion bauen und ihm einen neuen Namen geben. Damit würde man allen gerecht.“

Einzig dieses Stadion muß noch errichtet werden. Es gehört nunmehr seit vier Jahren zur Tradition der Veranstaltung, daß Präsident Heinz Weisener verkündet: „Anfang Dezember rollen die Bagger an.“ Auch diesmal ist sich der Vereinssouverän da sicher, obwohl die Investitionssumme sich inzwischen von 35 auf 90 Millionen Mark erhöht hat und die Finanzierung weiterhin sein Geheimnis bleibt. Aber es mehren sich die Stimmen, die behaupten, daß auch in diesem Jahr nichts aus der geplanten Arena wird. Zu schlecht ist wieder einmal die Finanzlage des Vereins. Erneut mußte „Papa Heinz“ Weisener in die Bresche springen und dem Verein mehrere Millionen Mark zuschießen.

Dabei wollte er das nie wieder tun. „Aber ich habe Fehler gemacht“, verkündete er, „und muß dafür geradestehen.“ Er habe zu Beginn der vergangenen Saison viel Geld ausgegeben, um den Wiederaufstieg zu erreichen und dabei auf die falschen Leute gehört – den damaligen Manager Helmut Schulte und Trainer Eckhart Krautzun. „Darum springe ich noch einmal ein.“ Allerdings muß sich der Architekt am Freitag seine eigenen Worte zu Beginn der Saison 97/98 vorhalten lassen: „Der direkte Wiederaufstieg ist kein Muß. Wir können auch einige Zeit in der Zweiten Liga aushalten.“

Sicher kann man sich dessen nicht sein. Denn ein wenig verwunderlich ist es schon, daß der Verein, der trotz rückgängiger Zuschauerzahlen immer noch einen der besten Schnitte der Zweiten Liga hat, nicht über mehr Geld verfügen kann. Wie überleben eigentlich, muß man sich fragen, Clubs wie die SpVgg Unterhaching oder Fortuna Köln? Heinz Weisener und sein Schatzkanzler Robert Ahrens werden sich verschärfte Nachfragen gefallen lassen müssen, wo eigentlich das ganze Geld geblieben ist und warum bei dem immer noch guten Image nicht mehr Geld über Werbung und Vermarktung in die Kassen kommt.

Auf einen vergnüglichen Abend freut sich schon Eberhard Spohd