„Wohl ein krasser Fall“

■ Interessenvereinigung der Vermieter „Haus und Grund“ gewährt offenbar rechtsbrecherischen Vermietern Platform / Veröffentlichung im Vereinsorgan

Es gibt zwei Lager. Mieter und Vermieter. Dazwischen sind die Fronten verhärtet. So sehr, daß der Jurist des Bremer Mieterschutzbundes, Gert Brauer, kaum noch zu schocken ist. „Ich bin schon als Mitglied einer terroristischen Vereinigung beschimpft worden“, sagt er lakonisch. Das jüngst im Vereinsorgan der Haus- und Grundbesitzervereinigung „Haus und Grund“ veröffentlichte Gedicht eines offenbar strafrechtlich verurteilten Vermieters kann ihn nicht mehr schocken.

Was soll ich dazu sagen? Dieser Haltung begegne ich im Berufsalltag ständig“, sagt er nach der Lektüre der vier Reim-dich-oder-ich-freß-dich Verse (siehe Kasten). Die hat der Verein, der im letzten Jahr bereits mit vielfach kritisierter „Blut-und-Boden-Lyrik“ eines ehemaligen Wehrmachtssoldaten anläßlich der Wehrmachtsausstellung von sich reden machte, seiner monatlich erscheinenden Gazette abgedruckt. Niveau: Stammtisch, aber gereimt. Ideeler Gegner: Mieter, die wegen überhöhter Miete erfolgreich gegen einen Vermieter vor Gericht zogen. Moral: „Verkauf dein Haus und miete an, dann wahrlich bist du besser dran!“. Der Autor, ein gewisser Friedrich Wilhelm Weil ist im Bremer Telefonbuch nicht verzeichnet. Bleibt die Frage: Steht die Interessenvereinigung der Haus- und Grundbesitzer, dem die Verurteilung von Umweltschützer Gerold Janssen wegen dessen Pro-Hollerland-Graffiti vor dem Siemens-Hochhaus gar nicht hart genug sein konnte (wir berichteten), neuerdings hinter verturteilten, rechtsbrecherischen Vermietern?

„Wenn Sie mich so fragen, wundert mich das auch“, sagt die Vertreterin von Geschäftsführer Bernd Richter, Frau Reinstorf-Krüger, nachdenklich. Was der redaktionell verantwortliche Richter sich dabei gedacht haben mag, sei ihr unklar – und wegen dessen Urlaub fürs erste auch nicht zu ergründen. Auch die „Gegenseite“, vertreten durch Gert Brauer vom Mieterschutzbund, will über Motive nicht spekulieren – ist aber bereit, den den Versen offenbar zugrundegeliegenden Sachverhalt zu bewerten. Erstes Fazit: „Bei diesem Vermieter muß es sich um einen krassen Fall handeln.“

Ein solches Urteil ergibt die Praxis: Beim Mieterschutzbund lassen sich pro Jahr 6.000 bis 7.000 Personen beraten. Nach seiner Erfahrung allerdings enden die wenigsten – wie im Gedicht – mit einer handfesten Verurteilung. „Die allermeisten Fällen gehen mit einer Ordnungsstrafe ab“, weiß der Jurist. „In 100 Fällen mit Schriftverkehr kommt es maximal zu fünf Verfahren“, sagt Brauer, der als Anlaß für das bedichtete Verfahren textimmanent schließt: „Vermutlich hat hier jemand eine Schrottwohnung für zuviel Geld vermietet.“ Selbst dann aber, so die bittere Erfahrung der Mieterschützers, sei es besonders in Bremen nicht einfach, einen Vermieter – etwa für Mietwucher – zu belangen.

Der Grund dafür ist ein „fehlender Mietspiegel“. Was andere Großstädte schon lange haben – eine Übersicht über Vergleichsmieten in bestimmten Wohngebieten – gibt es hier nicht. „Das erschwert jedes Verfahren.“ Zwar würden die strittigen Wohnobjekte im Vergleichsfall vom Amt bewertet. Doch letztinstanzlich sei ein relativ teures Gutachten erforderlich. „Die mindestens 2.000 Mark, die das kostet, wollen die wenigsten Mieter auslegen“, sagt Brauer. Aus seiner Sicht bedichten die Verse keinen realen Sachverhalt. „Die meisten Mieter möchten Prozessen sowieso lieber aus dem Weg gehen.“

Den Juristen veranlasst das Gedicht deshalb nur zu einer – vielleicht entlarvenden – Frage: „Warum ist dieser Vermieter eigentlich nicht in die eigene Wohnung gezogen, statt alles zu verkaufen?“ ede