Messerstecherei im Gefängnishof

■ Häftling während Freistunde niedergestochen und schwer verletzt. Staatsanwaltschaft ermittelt in Oslebshausen jetzt wegen versuchten Totschlags.

Es geschah in der Freistunde. Eine Gruppe von Häftlingen umzingelte den Insassen Peter M. (Name von der Redaktion geändert). Zwei Knackis hielten den 31jährigen fest. Ein dritter Insasse zückte ein Messer oder einen Schraubenzieher und stach zu - dreimal. Blutüberströmt brach der Häftling auf dem Freistundenhof zusammen. Lebensgefährlich verletzt wurde er ins Krankenhaus eingeliefert. Wie erst jetzt bekannt wurde, hat es auf dem Freistundenhof des Hauses II der Justizvollzugsanstalt Oslebshausen Ende Mai eine Messerstecherei gegeben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen drei Häftlinge wegen versuchten Totschlags und Beihilfe.

Acht Tage vor dem Überfall auf Peter M. waren eine Justizvollzugsvollzugsbeamtin und zwei Häftlinge vom Bremer Amtsgericht wegen Körperverletzung verurteilt worden. Pikanterie am Rande: Auch damals hatte die Staatsanwaltschaft in dem Verfahren unter anderem eine Prügelei auf dem Freistundenhof angeklagt. Zwei Häftlingen standen seinerzeit unter Verdacht, sie hätten einen Mitinsassen festgehalten, damit ein anderer Knacki ihn verprügeln konnte. Die Häftlinge wurden wegen Mangels an Beweisen freigesprochen. Gegen einen der freigesprochenen Häftlinge, der damals einen Mitinsassen festgehalten haben soll, wird jetzt wieder wegen Beihilfe ermittelt. Diesmal soll er Peter M. festgehalten haben.

Nach dem Strafvollzugsgesetz haben Häftlinge pro Tag Anrecht auf eine Freistunde. Der Freistundenhof im Haus II ist etwa dreiviertel so groß wie ein Fußballfeld. An jenem Nachmittag im Mai beaufsichtigten drei Beamte zwölf Häftlinge. Fünf Minuten nach Beginn der Freistunde wurde Peter M. niedergestochen. Angeblich schuldete er dem mutmaßlichen Täter Geld. Hintergrund, so wird im Knast erzählt, seien Drogengeschäfte. Peter M. ist inzwischen aus dem Krankenhaus entlassen worden. Seit dem Überfall im Gefängnis leidet er unter ständigen Schüttellähmungen am ganzen Körper. Ob die Zuckungen organisch oder seelisch bedingt sind, können die Ärzte nicht feststellen.

Die Justizvollzugsanstalt war in den vergangenen anderthalb Jahren immer wieder in die Schlagzeilen geraten. Sexualstraftäter waren unter Mithilfe einer Beamtin verprügelt worden. Im April, also einen Monat vor der Messerstecherei, wurde ein Sexualstraftäter in den offenen Vollzug verlegt, – „nicht zuletzt zur eigenen Sicherheit“, weil er von Mithäftlingen bedroht wurde, wie die Teilanstaltsleitung damals schrieb (siehe taz 2.10).

Zwei Gerichtsverfahren und ein parlamentarischer Untersuchungsausschuß haben sich in den vergangenen anderthalb Jahren mit den Zuständen in Oslebshausen befaßt. Daß sich offenbar trotzdem nichts geändert hat, weist Justizpressesprecherin Lisa Lutzebäck zurück. „Auch wenn das Ausmaß an Brutalität beträchtlich ist, das ist ein Überfall, wie er in allen Haftanstalten immer wieder vorkommt“, sagt sie. In Kassel ist im Januar ein Häftling von einem Mitinsassen erstochen worden. Straftäter, die zum Beispiel wegen Körperverletzung, Raubes oder Totschlags verurteilt worden seien, würden „auch in der Anstalt weiter agieren“. Die Häftlinge würden ihre „Geschichten untereinander“ schon zum Teil mit in den Knast bringen. Und das sei in einem Stadtstaat wie Bremen ein besonderes Problem. Übergriffe auf dem Freistundenhof seien nicht zu verhindern. „Dann müßten wir hinter jeden Häftling einen Beamten stellen.“

Kerstin Schneider