Eugene, Hippietown
: Die große Parade

■ Mit Dudelsäcken, schwangeren Nonnen und viel Glamour geht die Protestsaison zu Ende

Und irgendwann ist auch in Eugene der Hippie-Sommer vorüber. Die Hanfpflänzchen färben sich langsam gelblich, die Batik- T-Shirts sind blaß geworden, die Regenbögen alle eingefangen. Sonnenblumen sind schon lange nicht mehr da. Die Baumsitzer draußen in Fall Creek warten immer noch auf den Holzfäller. Es hat seit drei Monaten zum ersten Mal geregnet. Es wird kalt. Die Holzfäller haben es nicht eilig.

Der Sommer wird in Eugene traditionsgemäß mit einer Parade verabschiedet: der Eugene-Celebration-Parade. Außer denen, die auf irgendwelchen Bäumen auf Posten sind, sind alle da. Die Sonne scheint, die Straßen sind abgesperrt, Festtagsstimmung. Jeder, der Mitglied in irgendeiner Protest- oder Spaßbewegung ist, defiliert in einem großen Marsch durch die Innenstadt an dem Teil der Bevölkerung vorbei, der in diesem Jahr die Zuschauerrolle gewählt hat. Man sitzt auf Campingstühlchen und wartet.

Den Auftakt bildet eine Truppe schottischstämmiger Dudelsackspieler, die recht vertrunken aussieht und glänzende Stimmung verbreitet. Dann protestiert eine große Gruppe für eine größere Stadtbibliothek. Da steht bald eine Abstimmung an, und man solle doch dafür stimmen. Auch andere Abstimmungsaktivisten suchen Unterstützung: Einige sind als „Skinner Butte“ verkleidet. So heißt der kleine Stadtberg, auf dem die amerikanische Flagge gehißt werden soll. Einer ist Skinner Butte mit jener Flagge, der wird ausgebuht, einer mit einem Kreuz, der auch. Einer schlägt vor, ein Raumschiff zu installieren, das findet man gut, ein Peace-Zeichen, der wird gefeiert, und der letzte kommt als kleiner Skinner Butte mit einem grünen Baum auf seinem Gipfel. Da jubelt man und feiert ihn und ist sich einig: Für diese Option wird man bei der kommenden Abstimmung votieren. Sehr vernünftig.

Auch die Marihuanafraktion macht Wahlkampf. Es steht wieder mal eine Legalisierungsabstimmung an in Oregon. Bill Conde ist ihr größter Vorkämpfer. Er hat, pünktlich zum Paradentag, das Gefängnis verlassen dürfen, in das er hineingeraten war, weil er angeblich seine vierjährige Tochter auf dem von ihm veranstalteten Cannabis-Karneval an einem Joint ziehen ließ. Ob das stimmt, weiß man nicht. Sicher ist nur, daß er schon, als seine Tochter zwei war, stolz berichtete, sie rieche es so gerne, wenn ihr Vater Marihuana rauche. Komischer Vogel. Wird nicht so gefeiert.

Und sonst – Paradenglück: Springlebendige mittelalte Damen machen tanzend darauf aufmerksam, daß im Jahr 2000 zwanzig Millionen Frauen in die Wechseljahre treten werden, was gutgeheißen wird, man sieht eine aufgetakelte Monica Lewinsky ein Beweisstück rauchen, einen vielbeklatschten grünen Herrn ein Holzschild mit der schlichten Botschfat „Trees“ tragen und einen blonden Gladiator die Friedensbotschaft verkünden. Eine Gruppe schwangerer Nonnen besetzt aus Protest gegen päpstliche Verhütungsverbote symbolisch eine Kirche, und der große Ken Kesey fährt unter dem Jubel der Menge zusammen mit den Resten seiner Merry Pranksters auf dem Dach seines bunten Schulbusses ein, macht Musik, verliest Resolutionen, und Bonbons wirft er auch.

Vermißt wird nur Pinkman, ein dürres, rosagekleidetes Männchen, das immer auf seinem Einrad unterwegs war, von dem sich aber kürzlich herausstellte, daß er in einem anderen Bundesstaat als Kinderschänder gesucht wird. Seitdem ist er angeblich auf seinem Einrad auf der Flucht.

Und dann ist die Parade vorbei. Das Feiern geht noch ein paar Tage weiter. Aber die Protestsaison, die gute Jahreszeit, ist irgendwie zu Ende. Jetzt folgen fast neun Monate Regen, Nebel und graue, tiefe Wolken. Relativ erregungsfreie Zeiten. Und nur in den Bäumen singt es noch. Blue Moon Thunder