■ Iran: In Rom demonstrierten Exil-Iraner gegen Präsident Chatami
: Falscher Protest, falscher Mann

Widersprüchlicher kann das Bild nicht sein. Im Präsidentenpalast zu Rom wird der iranische Präsident Mohammad Chatami von seinem italienischen Kollegen Oscar Luigi Scalfaro mit großem Zeremoniell begrüßt, während draußen Tausende oppositionelle Exil-Iraner demonstrieren. Drinnen im Palast wird Chatami als Reformer gefeiert, draußen als Repräsentant eines mittelalterlichen Systems angeprangert. Wem soll man glauben, was kann, was will Chatami, wie soll man sich gegenüber dem Iran verhalten?

Scalfaro hat natürlich recht: Chatami ist zweifellos ein Reformer, und weil die Reformisten bekanntlich innerhalb eines Systems agieren, repräsentiert Chatami die Islamische Republik. So einfach ist es.

Aber Chatami repräsentiert noch mehr: Er ist nicht Verursacher, aber Symbol einer tiefgreifenden Veränderung, die sich im Iran vor allem unter den Jugendlichen vollzieht oder besser gesagt: längst vollzogen hat. Denn für die Jugend, Frauen und Intellektuellen gibt es genug Gründe, gegen die Islamische Republik zu sein. Kein Wunder, daß die Moscheen zunehmend leer und die Fußballstadien voll werden.

Die Stimmung war längst explosiv, als vor zwei Jahren bei den Wahlen Chatami auftauchte, der bis dahin am Rande, nicht im Zentrum der Macht stand. Er wurde von einer überwältigenden Mehrheit gewählt, nicht weil er die grenzenlose Freiheit anstrebt, sondern weil er jene totale Finsternis verhindern will, die die konservativen Kleriker dem Land aufoktroyieren wollen. Tatsächlich sind seit seinem Amtsantritt eine relative Öffnung der Gesellschaft und eine begrenzte Freiheit der Medien unverkennbar. Die radikalen Islamisten geraten ins Abseits.

Obwohl Chatamis Macht begrenzt ist, hoffen viele Iraner, mit Chatami ließe sich der Gottesstaat reformieren. Gewiß ist Chatami ein schiitischer Geistlicher, der das System nicht umkrempeln, sondern behutsam korrigieren will. Den Ungeduldigen mag dieser Reformweg langwierig und dornenreich vorkommen; die Alternative dazu wäre entweder die totale Finsternis der radikalen Islamisten oder ein Bürgerkrieg, in dem jeder gegen jeden kämpfen würde.

Und die Iraner, die im Ausland und im Namen der Freiheit „Nieder mit Chatami“ fordern? Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß einige Exilgruppen nach dem Motto agieren: Je schlechter die Situation, um so besser die Chance für die Revolution. Aber die Zeiten der Revolution scheinen auch im Iran vorbei zu sein. Ali Sadr-Zadeh

Der Autor ist Redakteur beim Hessischen Rundfunk