Wrigger, hol över

■ Auf der Krückau verkehrt Deutschlands kleinste Fähre

Das Tönen der Glocke holt Fährmann Kai Göhring von seiner Bank im Schatten. Er geht hinunter zum Eichenkahn, greift zum Riemen und bewegt die kleine Fähre mit Muskelkraft ans andere Ufer der Krückau. Dort lädt er zwei Radfahrer ein und bringt sie über den Fluß vom Kreis Pinneberg in den Kreis Steinburg. Je nach Wasserstand liegen 16 bis 40 Meter zwischen den Anlegern. An geschäftigen Tagen mit schönem Wetter macht Göhring oder einer seiner sechs Kollegen diese Tour rund 50 Mal im Auftrag des Fährvereins in Kronsnest bei Elmshorn.

Sieben Passagiere oder fünf Radfahrer mit ihren Gefährten finden Platz auf dem Kahn „Hol över“. Damit ist die Kronsnester Fähre die kleinste in Deutschland. Was aber nicht von behördlichen Auflagen entbindet: Um Passagiere über den Nebenfluß der Elbe zu bringen, mußte Göhring eine Prüfung ablegen und einen Fährführerschein erwerben. Auch die Sicherheitsauflagen im Eichenkahn sind modern: Mit Lufttanks wurde das Schiff unsinkbar gemacht, Rettungsmittel stecken unter den Sitzbänken.

Bis 1968 war die Fähre ein kommerzieller Betrieb. Dann wurde sie eingestellt, und wer von Kronsnest aus Verwandte oder Freunde nur wenige hundert Meter entfernt jenseits der Krückau besuchen wollte, mußte 20 Kilometer Umweg in Kauf nehmen. Seit 1993 ist im Sommer wieder der kurze Weg für Radfahrer und Fußgänger geöffnet. An den Wochenenden von Mai bis September wriggen Mitglieder des Vereins „Kronsnester Fähre“ Ausflügler und Einheimische nach der traditionellen Art der venezianischen Gondolieri über die Krückau. Rund 150 Vereinsmitglieder pflegen die Tradition und betreiben gleichzeitig ein kleines heimatkundliches Museum im ehemaligen Fährhaus hinter dem Deich.

Besonderes Augenmerk gilt immer der tideabhängigen Strömung: Das auflaufende Hochwasser fließt mit Geschwindigkeiten von bis zu zehn Stundenkilometern zwischen den Deichen entlang. Kritischster Moment ist das Ein- und Aussteigen der Passagiere. Mit der Metallspitze an seinem langen Riemen verkeilt der Fährmann das Boot im Flußgrund, damit es ruhig liegt und auch Kinder oder ältere Fahrgäste in Ruhe ihre Fahrräder ausladen können. Jann Roolfs

Info: Fährbetrieb vom 1. Mai bis 1. Oktober an Wochenenden und Feiertagen, jeweils von 09.00 bis 13.00 Uhr und von 14.00 bis 18.00 Uhr. Preise inklusive Fahrräder: Erwachsene zwei Mark, Kinder eine Mark, Familien fünf Mark.