Der Modell-Ästhet

■ Mein Laden & ich - Die neue Samstagsserie der taz-hamburg. Teil 1: Heinz Rettkowsky, der Bastler von St. Pauli Von Eberhard Spohd

Es ist dieses gewisse Leuchten in den Augen, das die Leidenschaft verrät. Bei Heinz Rettkowsky blitzt es den ganzen Tag. Schließlich hat der 76jährige sein Hobby und das vieler anderer Menschen zum Beruf gemacht. Er verkauft Modellbau-sätze, präziser: „Bei uns im Laden gibt es nahezu jeden Bausatz aus Plastik dieser Welt.“ Rund 30.000 Modelle lagern in seinem Laden: anatomische Figuren und Autos, Schiffe, Flugzeuge oder Raumgleiter aus den bekannten Science-Fiction-Serien. Obwohl die dem Pfeifenraucher gar nicht behagen.

„Das sind doch nur Fantasieprodukte, die es in echt gar nicht gibt“, mokiert er sich, „da kann man ja nicht einmal die originalen Farben bestimmen.“ Und auf Präzision kommt es dem weißhaarigen Händler an. „Wußten Sie, daß Rolls Royce die Kühlerfigur, die berühmte Emily, von 1952 bis 1955 knieend dargestellt hat?“, fragt er und liefert gleich die Begründung nach: „Damals war gerade die Queen inthronisiert worden, und die ganzen Hofschranzen mußten in die Wagen mit der demütigen Figur.“ Solche Details hat er sich in Laufe der Jahre angelesen.

Rettkowsky ist ein echter St. Paulianer, seit er 1926 am Paulinenplatz geboren wurde. Sein ganzes Leben verbrachte er in diesem Stadtteil. Das Geschäft ist noch älter. Sein Vater hatte es 1916 gegründet, und bis vor sieben Jahren lagerten die Modellbausätze noch im Keller des Ladens in der Wohlwillstraße, in dem schon Vatter Bastelartikel und Fahrradzubehör anbot.

Aus dieser Zeit stammt auch noch das antiquierte Telefon im kleinen Büroraum. „Das hat uns ganz schön Mühe gekostet, bis wir es zusammen mit dem Anrufbeantworter und dem Faxgerät angeschlossen bekamen.“ Ein Computer fehlt selbstverständlich, der Schriftverkehr wird auf einer grünen Reiseschreibmaschine abgewickelt.

Rettkowskys Interesse am Modellbau entwickelte sich bei einem USA-Aufenthalt bei Verwandten. Damals lernte er die Bakelit- oder Balsaholzmodelle kennen und stürzte sich mit Begeisterung auf sein neues Hobby. Nach Deutschland zurückgekehrt, übernahm er den Laden und begann in bescheidenem Umfang, aus Amerika und England zu importieren. „Das Geschäft mit den Fahrrädern lief damals nicht mehr gut“, erklärt er die Beweggründe, sein Sortiment umzustellen „selbst auf St. Pauli sind nach dem Krieg alle nur noch mit Mofas herumgefahren und haben auf die Radler heruntergeblickt.“

Seit 60 Jahren verkauft der Bastler, der jeden Sonntag einige Stunden die neuesten Bausätze testet, Plastikminiaturen und streitet sich auch ab und zu mit seinen Kunden, wenn es um die Farbgebung moderner Düsenflugzeuge oder die Ausstattung von Autos geht. „Der liebe Gott weiß alles, aber Modellbauer wissen immer alles besser“, charakterisiert er seine überwiegend männliche Kundschaft. Aber meist behält der Alte recht und kann dann auch noch mit den richtigen Mischungsverhältnissen aus verschiedenen Farbtöpfen aufwarten, um ein Stück noch originaler als das Original aussehen zu lassen.

Warum aber sollte sich jemand überhaupt dem Zusammenbasteln von Modellen widmen? Auf diese Frage wird der Mann mit den ruhigen Händen lebhaft: „Das macht Sauspaß und entspannt unheimlich. Man kann sich dabei in sich versenken“, sagt er und stellt die therapeutische Wirkung ganz außer Frage. Er habe schon mit Ärzten zusammengearbeitet, die Alkoholkranken damit Ablenkung verschafft haben. Leider wurde daraus keine dauerhafte Zusammenarbeit, „denn noch gibt es Modellbausätze nicht von der Krankenkasse.“

Rettkowsky Hobby-Modelle, Paulinenplatz 2, Tel.: 31 33 01, Öffnungszeiten Mo. bis Fr. 9 bis 13 und 14 bis 18 Uhr, Sa. 9 bis 13 Uhr.