TBT-Gift und Riesenwracks

■ Der Umwelt- und Arbeitsschutz an norddeutschen Werften läßt zu wünschen übrig / Bremer Experten: Neue Perspektiven für den Schiffbau

Die internationale Schiffahrt liegt im Kreuzfeuer von Umweltorganisationen und Gewerkschaften. Nicht erst seit gestern fragen sich alle Beteiligten: Wie baut man eine Handelsflotte auf, ohne die Natur allzusehr zu belasten? Warum müssen Werftarbeiter noch immer schwerwiegende Gesundheitsrisiken in Kauf nehmen? Und schließlich: Was passiert mit den Schiffen, wenn sie ausgedient haben? Ein Bremer Expertenteam hat in den vergangenen Jahren verschiedene norddeutsche Werften unter die Lupe genommen. Jetzt legte es eine Studie vor, die als Handbuch editiert dem internationalen Schiffbau als Leitfaden dienen könnte.

In dem Reader begeben sich fünf Mitarbeiter des Kooperationsbereichs Universität-Arbeiterkammer (KUA) auf die „Suche nach dem sozial- und umweltverträglichen Schiff“. Auf fast 300 Seiten tragen sie gravierende Mängel im Schiffbaugewerbe zusammen. Dabei kritisieren die Fachleute die äußerst hohe Gesundheitsgefährdung der Arbeitnehmer: Nicht zuletzt durch die verschiedenartigsten Schadstoffe am Arbeitsplatz werde fast jeder zweite Werftarbeiter zum Frühinvaliden. Außerdem – so die Studie – seien auch die Auswirkungen auf die Umwelt kaum haltbar. Gerade Farb- und Schleifarbeiten seien ökologische Risiken, die die Zukunft der Schiffahrt in Frage stellen.

Das KUA-Team hält es daher für unerläßlich, den Umwelt- und Arbeitsschutz auf Werften zu verbessern. „Nur wenn sich der europäische Schiffbau an internationalen Richtlinien orientiert, hat er eine Chance“, sagt Projektleiter Heiner Heseler. Das von der Weltschifffahrtsorganisation (IMO) abgeseg-nete Verbot für das Umweltgift Tributylzinn (TBT) ab dem Jahr 2003 sei ein Schritt in die richtige Richtung, findet der Wissenschaftler. Auf lange Sicht könne der Schiffbau aber nur wieder innovationsfähig werden, wenn es tiefergreifende Konzepte gibt.

Mit ihrer Studie wollen die Schiffahrtsexperten gezielt die Arbeitnehmer vor Ort ansprechen und damit Informationsarbeit „von unten“ leisten. Schließlich betreffen die Inhalte die Beschäftigten der Betriebe – umso wichtiger sei es daher, diese an der Diskussion zu beteiligen, erklärt Projekt-Mitarbeiter Eberhard Schmidt. Ziel sei es, „Bildungsseminare nicht nur für Werften, sondern auch für andere Belegschaften“ anzuleiern. Dies unterstützen Hans-Böckler-Stiftung und IG-Metall Küste.

Von zentraler Bedeutung für das Forschungs- und Beratungsprojekt ist der frühere Betriebsratsvorsitzende der Bremer Vulkan Werft Fritz Bettelhäuser. Der Ex-Vulkanese ergänzt die KUA-Studie um Erfahrungen aus erster Hand. Schon ab 1981 nämlich hat ein betriebsinterner Arbeitskreis die Sozial- und Umweltverträglichkeit von Schiffbau und Schiffahrt untersucht. Durch die aktuelle Zusammenarbeit an der Bremer Universität arbeitet Bettelhäuser die Forschungsinhalte des Vulkan-Arbeitskreises auf und aktualisiert sie. In kommenden Herbst werden die Ergebnisse der Kooperation auch auf CD-ROM erhältlich sein. Bis dahin gibt es sie auf Papier: Fritz Bettelhäuser/ Peter Ullrich (Hrsg.): Das 8-Punkte-Programm für ein sozial- und umweltverträgliches Schiff, Bremen, Juli 1999, Universität Bremen/ KUA, 296 S., 20 DM tin