Architektur übernimmt Schirmherrschaft

Warum das Domshof-Forum den Platz richtig zur Geltung bringt / Ein Gastkommentar  ■ von Jörg C. Kirschenmann

Lange rätselten die BremerInnen, was aus dieser Baugrube mitten in der Stadt wird. Eventuell ein Cafe in Gestalt eines Containers, der besonders aufregend war, als er noch mit unterschiedlichen Materialien geschlossen war und so zu einem interessanten Pendant zum Allerlei des Wochenmarkts wurde. Als aber riesige stählerne Schirme Stück für Stück errichtet wurden, stieg die Aufmerksamkeit, und man konnte ernsthaftes architektonisches Engagement vermuten für ein Bauwerk der öffentlichen Hand für einen öffentlichen Platz.

Und natürlich vernahm man Volkes Stimme, ob man das Geld nicht sinnvoller für etwas anderes hätte ausgeben können. Manch einer schwadronierte, ob dies vielleicht nur der Anfang ist und der Domshof insgesamt überdacht werden würde. Nun ist das Werk vollendet und Bremen um ein Stück Architektur reicher. Um rund sieben Millionen Mark ärmer ist die Stadt dabei geworden, denn auch gute Architektur hat ihren Preis. Jedoch im Unterschied zum mehrmals umgebauten ehemaligen Zentralbad oder zu den millionenschweren Entwurfskizzen für den Space Park ist das Geld hier preiswert in städtischer Architektur angelegt. Das urban gedachte Konzept der Architekten Schürmann aus Köln antwortet mit seinen acht großen stählernen Glasschirmen in stadtbildprägender Weise auf die Bedeutung des Doms mit seinem großen Hof.

Der Domshof ist schon seit jeher ein großer Platz und ein Gegenbild zu engen Altstadtbereichen in Bremen, wobei sich seine Funktion über die Jahrhunderte ebenso gewandelt hat, wie die ihn umgebende Bebauung. Heute ist der Hof des Doms fast ausschließlich von Bankgebäuden umgeben – mit ihrer gegen Null tendierenden Attraktivität für den städtischen Raum. Nichts wirkt vom Inneren auf den Platz, die Fassaden selbst sprechen allenfalls eine architektonische Umgangssprache ihrer Zeit. Die platz- bzw. raumgreifenden gläsernen Schirme sind ein wirksamer Eingriff in diese Situation.

Sie werten in geschickter Weise sich selbst auf, indem sie sich in gebührender Distanz in Position stellen gegenüber Dom, Haus der Bürgerschaft und Rathauserweiterung – dies ausnahmslos Zeugnisse bedeutsamer Architektur. Vor allem im Gegenüber zu diesem Ensemble im Süden bekommt diese bemerkenswerte Installation im städtischen Raum ihren Sinn, wobei sie weitere städtebaulich wünschenswerte Funktionen erfüllt.

Vom Schüsselkorb und der Bischofsnadel aus kommend werden zuerst die Schirme sichtbar, die schon durch ihre überraschende Größe auf die Dimension des Domshofs hinweisen. Sie sind es auch, die mit ihrer Konstruktion eines zwölf Meter hohen Glasdaches die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Proportion und Maß von Stützen und Dach helfen auf einfache Weise, den Domshof nicht nur als Fläche, sondern als städtebaulichen Raum wahrzunehmen. Mit den flachen Riesenschirmen ist es gelungen, die Ausdehnung des Domshofs bis zur Bebauung im Norden optisch zu erhalten und zugleich eine Zäsur deutlich zu machen, die den verkehrsreichen Straßen- und Schienenbereich vom Platzbereich trennt und städtebaulich definiert.

Der nicht ganz abwegige Gedanke, daß es sich um eine neue zentrale Haltestelle für öffentliche Verkehrsmittel handeln könnte wird durch die Lage des Cafés ausgeschlossen; es ist von der Straßenflucht zurückgesetzt und wird dadurch Teil des Platzbereichs. Nebenbei: den Staßenbahnhaltestellendächern auf dem neuen Bahnhofsvorplatz hätte eine vergleichbare konstruktive Prägnanz und Maßstäblichkeit auch gut getan.

Das zweigeschossige Café in Form eines einfachen Kubus und doch verbunden mit einer ambitionierten architektonischen Ästhetik wird von der Hälfte der acht gläsernen Schirme überdeckt. Der ursprüngliche Entwurf sah einen dreigeschossigen, aus quadratischen Elementen zusammengesetzten auch nach oben verglasten Kubus vor, wodurch das Innenleben unmittelbar Teil des öffentlichen Raums geworden wäre. Aus dem obersten Geschoß ist eine Dachterrasse geworden, und einige geschlossene Fassadenelemente ergeben nun ein mehr eigenständiges Gebäude. Mit seiner stählernen (Not-) Treppe an der Nordseite, der umlaufenden Reling am Dach und dem Sonnenschutz entlang der Decks ist die Assoziation zu einem Schiff nicht weit.

Das Café läßt sich großzügig sowohl zum Platz als auch zur Verbindung Marktplatz-Bischofsnadel öffnen. Von der Dachterrasse hat man immer eine gute Aussicht, und wenn zukünftig die Marktwagen nicht mehr quer vor dem Café, sondern alle in langen Reihen zum Dom hin angeordnet werden, dann kann sich das Sitzen vor dem Café abwechslungsreich mit dem Marktgeschehen verbinden.

Notwendige Nebenräume konnten in einem Teil des Luftschutzbunkers untergebracht werden. Doch ist mit den wenigen oberirdischen technischen Einrichtungen wie Aufzug, Lüftung etc. doch noch eine gewisse Rückseite entstanden, die unglücklicherweise ihr Gesicht geradewegs dem Ausgang der Domshof-Passage zuwendet.

Der offene Bereich unter vier Schirmen schafft eine besondere Raumsituation, einen glasgedeckten städtischen Ort, gleichsam ein Gegenbild zu Einkaufspassagen, der durch die dominierende Vertikalität der Pilone an die Struktur gotischer Kirchenschiffe erinnert. Vielleicht kann sich aus diesem sog. Forum eine Art Domshof-Corner entwickeln, wo BremerInnen auch über das Verhältnis von Architektur und Gesellschaft öffentlich diskutieren.

Jörg C. Kirschenmann ist Professor für Urbanistik an der Bremer Hochschule für Künste