■ Vaatz wurde als DDR-Oppositioneller geehrt, warum eigentlich?
: Besser hingucken!

Öffentliches Ansehen verhält sich bekanntlich direkt proportional zur Fähigkeit der Selbstdarstellung. Arnold Vaatz zum Beispiel. Dem wurde gestern der Eugen-Bolz-Preis verliehen. Die dem Geiste des von den Nazis hingerichteten Widerstandskämpfers Bolz verpflichtete Stiftung würdigte damit den Vaatzschen Widerstand gegen das DDR-Regime. Leider ein nicht ganz geglückter Griff. Zwar war Vaatz zweifelsfrei ein wichtiger Protagonist des Wendeherbstes in Dresden – wofür ihm auch Ehre gebührt. Zweifelsfrei ist aber ebenso: Ein solcher Widerständler, als der Vaatz jetzt geehrt wird, war er vorher nicht. Der diplomierte Mathematiker wanderte nicht etwa fürs Kleben subversiver Plakate oder als Verfasser scharfer Flugblätter in den Knast. Verurteilt wurde Vaatz vielmehr, nachdem er einen dreimonatigen Reservedienst bei der NVA verweigert hatte.

Bis dato hatte sich Vaatz das Vertrauen der sozialistischen Staatsmacht erworben. Die schickte Vaatz zu Abitur und Studium – Privilegien, denen ein strenges Auswahlprozedere vorausging. Auch seinen „Ehrendienst zum Schutz des Sozialismus“ hatte Vaatz in der NVA abgeleistet. Diejenigen, die aus Opposition zum Regime Wehrdienst, Pionier- oder FDJ-Maschinerie konsequent ablehnten, hatten keine Chance, sich höher zu bilden oder Karriere zu machen. Vaatz verweigerte sich erst, als er das erreicht hatte. Er wußte, daß auf diese Verweigerung des Fahneneides Knast stand. Vaatz' Verhalten ist keineswegs kritikabel, im Gegenteil. Es ist nur nicht das, als was es geehrt wurde.

Ist die gestrige Ehrung vielleicht unglücklich, so ist die des damaligen Leipziger Thomaspfarrers geradezu grotesk. Hans-Wilhelm Ebeling war im Januar das Bundesverdienstkreuz ans Revers geheftet worden. Berlins Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen würdigte Ebeling in seiner Laudatio als Mann der ersten Stunde – ein krasser Fall von Unkenntnis geschichtlicher Realität. Ebeling war es, der im Oktober 1989 empört ablehnte, die Tore seiner Kirche den Demonstranten zum Schutze zu öffnen, die vor knüppelnden Volkspolizisten flohen. Allerdings tanzte Ebeling dann einige Zeit als Minister auf der politischen Bühne. Anderen blieb dies verwehrt. So sind die Pflugbeils, Templins, Führers heute vergessen. Es ist gut und wichtig, einstige Akteure zehn Jahre nach dem Wendeherbst für ihren Mut, ihr Engagement und ihre Weitsicht zu ehren. Man muß aber richtig auswählen – sonst riskiert man, daß Ehrung zu Verhöhnung wird. Nick Reimer