Querspalte

■ Nackig funktioniert immer

 Mit dem Sommerschlußverkauf beginnt die heißeste Zeit des Jahres. Die vermischte Welt ist leicht bekleidet, sommerlich gestimmt, tendenziell gaga und gern auch trieborientiert. Nackte Ostler wehren sich wie jedes Jahr gegen angezogene Westler an den Ost- und Waldseen des Beitrittsgebiets („eine der wenigen Freiheiten, die wir hatten“), 49jährige Sexualtherapeuten joggen nur mit Turnschuhen und Handy bekleidet durch Freiburg und kriegen dafür ihren Fünf-Minuten-Terrine-Ruhm auf allen Kanälen. Nackte Frauen im Slip machen das Bundeswehrgelöbnis zu einem interessanten Akt und animieren die in Springers B.Z. für Nacktes zuständigen Redakteure zu schönen Texten: „Wer sind diese Nackten? Sie nennen sich ,JungdemokratInnen/Junge Linke‘. Sie fordern Jugendliche auf, Drogen zu ,probieren‘. Eine ihrer Kampfparolen: ,Wir sind frei und wild.‘ “ Es ist eigentlich toll, daß die Nacktheit als Protestmittel immer noch gut funktioniert und daß sich die Ex-Jugendorganisation unserer lieben FDP so charmant wieder mal gemeldet hat.

 Auch die älteren Mitbürger machen übrigens grad mobil. In den USA findet dieser Tage ein 30-Jahre-Woodstock-Revival-Festival statt, und nächste Woche werden „5.000 bis 10.000 Teilnehmer“ beim weltweit ersten Sexfestival für Ältere im finnischen Kutemarjävi erwartet. Das Festival soll Menschen ab 50 Gelegenheit zu aktivem Sex, Gesprächen und einem angenehmen Zusammensein ohne den Terror des Jugendkults geben. Dufte, knorke, schnafte, wie man in Berlin zu sagen pflegt! Israelische Forscher haben übrigens herausgefunden, daß Viagra die Lebensdauer von Pflanzen, Obst und Gemüse verdoppeln kann. Mit solchen Meldungen ordnet man die seltsame Sommerwelt. „Je vernünftiger, desto alberner“ (Adorno, „Ästhetische Theorie). Detlef Kuhlbrodt