Es wird eng für Slobodan Milosevic

Milosevics Ex-Generalstabschef Perisic stellt sich auf die Seite der serbischen Opposition: „Abenteurer und unberechenbare Menschen dürfen nicht über das Schicksal Jugoslawiens bestimmen“  ■   Aus Belgrad Andrej Ivanji

Die serbische Opposition organisiert täglich Demonstrationen gegen das Regime in der serbischen Provinz, fordert den Rücktritt des jugoslawischen Präsidenten Slobodan Miloševic und vorzeitige Wahlen unter Beobachtung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Immer mehr Menschen gehen auf die Straße, verschiedene Bürgerkomitees schließen sich zusammen.

Der Druck seitens der verarmten Bevölkerung und der frustrierten serbischen Flüchtlinge aus dem Kosovo, der unzufriedenen Rentner und Reservisten der jugoslawischen Armee auf das Machtsystem in Serbien wird immer größer. Die jugoslawische Teilrepublik Montenegro droht, die Föderation mit Serbien zu verlassen, wenn sich Miloševic nicht bald zurückzieht oder zum Rücktritt gezwungen wird. Die internationale Gemeinschaft macht keinen Hehl daraus, daß sie einen Wechsel in Serbien begrüßen und mit materieller Unterstützung honorieren würde.

Es wird still um Miloševic und seine Frau, Mira Markovic. Sie haben keine Verbündeten mehr. Die abgedroschenen Phrasen der staatlichen Medien über den „nationalen Stolz“, den „gewaltigen wirtschaftlichen Aufschwung“, der dem Land bevorstehe, über die „Notwendigkeit der Einigkeit der politischen und militärischen Führung mit dem Volk“, Verlautbarungen über die „amerikanische Verschwörung gegen die Serben“, die „Fünfte Kolonne im Lande“ und den „heldenhaften Sieg gegen die Nato“ hören sich weltfremd an. Ob das bislang gut organisierte Machtsystem Miloševics dem gewaltigen Druck wird standhalten können, hängt im großem, wenn nicht entscheidendem Maße davon ab, wie sich die jugoslawische Armee verhalten wird.

„Die Armee ist eine Parteizelle der Sozialisten“

Wie ein Schlag aus heiterem Himmel traf da das geschwächte Regime in Belgrad das erste öffentliche Auftreten des ehemaligen jugoslawischen Generalstabschefs, Momcilo Perišic. Der General, Raketenexperte und Diplompsychologe, wurde im November 1998 abgesetzt, weil er die Politik Miloševics kritisiert und einen möglichen Krieg mit der Nato als selbstmörderisch bezeichnet hatte.

„In Jugoslawien stehen Parteiinteressen über den Interessen des Volkes und des Staates, und so wird auf die Armee unheimlicher Druck ausgeübt. Als ich Generalstabschef war, war die Armee vollkommen unparteiisch. Doch jetzt ist die Armeespitze in eine Parteizelle der Miloševic-Sozialisten und der Jugoslawischen Linken unter der Vorsitzenden Mira Markovic verwandelt worden“, erklärte Perišic in einem Interview der Belgrader Zeitschrift NIN. Er glaube jedoch an die Ehre der Berufssoldaten, er wisse, daß sie niemals Befehlen folgen würden, die gegen das eigene Volk und die Bürger Jugoslawiens gerichtet seien.

Perišic, der großes Ansehen unter den Soldaten genießt, sprach alle enttäuschten Offiziere der jugoslawischen Armee an. Die „selbstverliebte“ Staatsspitze habe das Volk ins Unglück gestürzt. „Abenteurer und unberechenbare Menschen“ dürften nicht über das Schicksal dieses Landes bestimmen. Eine weitere Katastrophe müsse verhindert werden.

Dem Pressesprecher der Miloševic-Sozialisten, Ivica Dacic, fiel nichts Besseres ein, als das sensationelle Interview als „reinen Blödsinn“ zu bezeichnen. „Deshalb wurde er ja auch abgesetzt“, erklärte Dacic nervös. Außerdem sei der Wiederaufbau des Landes wichtiger als irgendwelche Wahlen.

Ex-Generalstabschef Perišics Auftreten könnte nicht nur viele Berufsoffiziere ermutigen, auf die Seite der Opposition zu wechseln, sondern auch eine Spaltung in den verunsicherten Reihen der regierenden Parteien auslösen. Zumal der auch im Westen hochangesehene General seinen Kontakt mit der montenegrinischen Regierung und dem Oppositionsführer Vuk Draškovic keineswegs zu verheimlichen versucht.

Perisic: Integrationsfigur der Opposition

Auch der Vorsitzende der Demokratischen Alternative, Nebojsa Covic, warnte davor, daß die Armee nicht den Fehler begehen dürfe, das Regime zu verteidigen, vor allem nicht „dieses Regime, das das eigene Volk in ein größeres Unglück gestürzt hat als alle Feinde zusammen in diesem Jahrhundert“.

Bisher war die größte Schwäche der serbischen Opposition, daß sie sich auf keine gemeinsame Führungsfigur einigen konnte. Der abgesetzte General Perišic, der keiner Partei angehört, könnte sich als die Integrationsfigur der serbischen Opposition erweisen und den Einsatz der Armee bei eventuellen Massenunruhen entscheidend beeinflussen.