■ Ein böses Vorzeichen: Haiders FPÖ gewinnt in Vorarlberg
: Marsch in die Mitte

Den großen Erschütterungen gehen seismische Beben voran. Bei den Landtagswahlen in Vorarlberg, dem westlichsten Ländle Österreichs, sprang Jörg Haiders FPÖ auf fast 28 Prozent. Zum Vergleich: Die Sozialdemokraten – im Ländle traditionell schwach – kamen nur mehr auf 13 Prozent.

Am 3. Oktober stehen in Österreich Nationalratswahlen an. Längst hängt über dem Land eine Blase der Endzeitstimmung, der Unabwendbarkeit einer epochalen Katastrophe. Zwar dürfte, glaubt man den Umfragen, die Sozialdemokratie noch einmal stärkste Partei werden (mit rund 35 Prozent), doch dicht gefolgt von Haiders FPÖ, die 30 Prozent einheimsen dürfte. Die einstmals stolze konservative ÖVP hat sich jetzt schon in ihr Debakel gefügt.

Mehr noch als die erwarteten elektoralen Verwerfungen versetzen die Gründe, die sie ankündigen, das Land in Panik. Nach mehr als zehn Jahren regelmäßiger Warnung vor „Haiders Vormarsch“ kann der Alarmismus kaum jemanden noch von der Stimmabgabe für die Freiheitlichen abhalten. Die blaue Radaupartei hat den Marsch in die Mitte erfolgreich angetreten. Und dieser Marsch beruht auf zwei Bewegungen: Einerseits präsentiert sich die „radikale Opposition“ zunehmend als regierungstauglich, andererseits verrohte die Mitte über die Jahre, regt kaum mehr jemand auf, was früher noch für Empörung gesorgt hätte. Selbst die Plakate „Stop Überfremdung“ gelten nicht mehr als Übertretung des Common Sense, sondern als dessen eigentlicher Ausdruck. So wird Jörg Haider am Abend des 3. Oktober wohl – noch – nicht als Kanzler aus den Wahlen hervorgehen, doch beginnt jetzt die eigentliche Phase des Überganges. Egal, ob es noch einmal zu einer Neuauflage der zur „Kleinen“ geschrumpften „Großen Koalition“ kommt, ob gar die Sozialdemokraten mit einem Minderheitskabinett weiterregieren oder ob es schon zur ersten Wende hin zu einer schwarz-blauen Regierung kommt – klar ist, die Stabilitätsgaranten erodieren, die Mitte zerbricht, der große Showdown steht bevor.

Irgendwann, vielleicht in einem Jahr, wird Jörg Haider zur großen Schlacht ums Kanzleramt antreten. Dann befindet sich das Land am Ende eines Krisenszenarios, an dem als möglich, ja als wahrscheinlich gelten muss, was zu Beginn kaum jemand für denkbar hielt: die Machtübernahme eines rechten Populisten in einem europäischen Land, das bis dato als stabil und demokratisch galt. Robert Misik

Der Autor ist Redakteur des Wiener Magazins „Format“