Mehr Ingenieure ins Parlament!

betr.: „Vom Prestigeprojekt zur Lachnummer“, taz v. 18. 9. 99

Der taz muss man zugestehen, dass sie, immer wieder kurz und bündig, den Nagel auf den Kopf trifft – so auch in der Schmierenkommödie Transrapid. Jeder wirkliche Ingenieur – er unterscheidet sich vom reinen Naturwissenschaftler eben durch das ausgeprägte Bewusstsein für Wirtschaftlichkeit – weiss, dass das Transrapidprojekt längst abgeschmiert ist. Nur scheint es den Politikern – die ja sonst immer eindimensionale Wirtschaftlichkeitsfetischisten sind – eher zu behagen, der Öffentlichkeit den üblichen Quatsch aufzutischen. Es ist ironisch, dass es ja genau diese Wirtschaftlichkeit ist, die dem „normalen“ ICE zum Vorteil gereicht – und den Transrapid unsinnig macht. Zwanzig Jahre fehlgeleiteter Lobbyismus haben z. B. der französischen Industrie einen freien Vorsprung in der schienengebundenen Schnellverkehrstechnologie beschert. Jetzt soll der Bürger noch den Transrapid bezahlen – was für eine Farce!

Die falsche Weichenstellung auf der Transrapid-Trasse, wie von eurer Korrespondentin konjekturiert (Uff! d. Szzn.), ist durch Anwendung der weltführenden Norm VDE 0801 so selten wie der Zusammenstoß mit dem Halleyschen Kometen; die Technik an sich ist schon in Ordnung. Nein, viel einfacher: Es sind die wirklichen Kosten, die solche Projekte von vornherein unwirtschaftlich machen. Wären mehr Ingenieure im Parlament vertreten, Transrapid und Kernenergie wären schon vor zehn Jahren längst zu den Akten gelegt worden.

Martin Schneiderheinze, Perth, Australien

Der Transrapid mag auf einer technisch brillanten Idee basieren, wenn der nun geplante Praxistest gelingt. Er ist aber wirtschaftlich längst gescheitert, denn zum Reisen gibt es zu viele Alternativen, und den trotz der nun wieder beschlossenen Subventionen von 6,1 Mrd. Mark noch erforderlichen Zuschlag zum Fahrkartenpreis von weit mehr als 100 Mark pro Fahrt werden sich nur wenige leisten. Das Flugzeug von und nach Hamburg ist gegenwärtig fast genauso schnell, teuer und eng und hat nicht wie für den Transrapid erhofft 6,8 Millionen Fahrgäste pro Jahr, sondern nur einige hunderttausend. Mit dem Reisebus, der Bahn oder dem Auto geht es zwar langsamer, aber teilweise billiger, komfortabler und umweltfreundlicher. Private Bahnbetreiber haben bereits angekündigt, dass sie den gegenwärtigen IC/ICE-Verkehr der Deutschen Bahn auf der Hamburgstrecke preisgünstig ersetzen wollen. Exportmöglichkeiten für den Transrapid gibt es nicht, denn kein Land und kein Unternehmen auf der Welt, auch Deutschland und die Deutsche Bahn nicht, kann sich ein so teures Transrapidsystem zusätzlich leisten. Tilman Bracher, Berlin

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