Osttimor begrüßt seine Truppe

Australische, britische und neuseeländische Soldaten landen in der Hauptstadt Dili. Erste Heldentat: Zwei Milizionäre auf einem Motorrad entwaffnet  ■   Von Sven Hansen

Berlin (taz) – Um 6.40 Uhr Ortszeit ist gestern das erste Transportflugzeug der australischen Luftwaffe vom Typ Herkules C-130 mit 50 Elitesoldaten auf dem Comoro-Flughafen der osttimoresischen Hauptstadt Dili gelandet. Die schwer bewaffnete Vorhut der multinationalen Schutztruppe Interfet wurde von zwei Dutzend indonesischen Soldaten mit Handschlag begrüßt. Anschließend begannen die Australier mit der Entladung ihrer Gerätschaften und der Sicherung des Flughafens. Zwanzig Minuten später traf dort bereits die zweite aus dem 600 Kilometer entfernten nordaustralischen Darwin kommende Maschine mit weiteren Interfet-Soldaten ein.

Bis Mittag waren im Rahmen der „Operation Stabilisierung“ auf dem Flughafen bereits über 1.000 australische, britische und neuseeländische Soldaten mit ihren Waffen und Fahrzeugen gelandet. Innerhalb von 24 Stunden sollten 2.000 Soldaten der multinatioalen Schutztruppe in Osttimor stationiert sein. In einer Woche soll sie auf 3.200 Mann anwachsen.

Bei der Landung der Schutztruppe gab es laut ihrem australischen Oberbefehlshaber Peter Cosgove keinerlei Widerstand. „Insgesamt ist der Empfang gütig und herzlich gewesen“, so Cosgrove vor Journalisten in Dili. Er traf sich gestern erneut mit indonesischen Offizieren zu weiteren Absprachen. Cosgrove bezeichnete die Zusammenarbeit mit den Indonesiern dabei wieder als „erstklassig“. Der Kommandeur der indonesischen Kriegsrechtstruppen in Osttimor, Kiki Syahnakri, kündigte an, die Verantwortung für die Inselhälfte im Laufe der Woche an die Schutztruppe übergeben zu wollen. Nach Angaben aus Jakarta hätten bereits 80 Prozent aller indonesischen Soldaten und Polizisten Osttimor verlassen.

Gegen mittag verließen die ersten Interfet-Einheiten den Flughafen in Richtung Stadtzentrum und Hafen, wo mehrere tausend Flüchtlinge auf Passagen in andere Regionen Indonesiens warten. Die Soldaten sicherten zunächst strategische Punkte in der Stadt und anschließend den Hafen. Dort wurde für den Abend die Ankunft des ersten Schiffs der Schutztruppe erwartet. Am Hafen wurden zwei Milizionäre auf einem Motorrad entwaffnet. Sie leisteten keinen Widerstand.

Die von den proindonesischen Milizen stark verwüstete Hauptstadt Dili war bei der Ankunft der Friedenstruppe weitgehend menschenleer. Nach Angaben von Augenzeugen brannten einige Gebäude. Für heute wird die Ankunft der ersten Interfet-Soldaten in der 135 Kilometer nordöstlich gelegenen Stadt Bacau erwartet. Zur Entlastung des Flughafens von Dili, der nur drei Maschinen zugleich abfertigen kann, sollen bald auch Flüge nach Bacau starten.

Die Vereinten Nationen mussten ihre ursprünglich für gestern vorgesehenen Hilfsflüge mit Nahrung und Medikamenten nach Osttimor verschieben, weil alle in Nordaustralien verfügbaren Transportflugzeuge für Truppentransporte im Einsatz waren. Die Hilfsflüge sollen heute mit UN-eigenen Maschinen aufgenommen werden, sagte ein UN-Sprecher in Darwin. Die Schätzungen über die Zahl der Flüchtlinge sind äußerst widersprüchlich. Am Sonntag hatte das Komitee des Internationalen Roten Kreuzes (IRK) in Jakarta unter Berufung auf eine Sondierungsmission der vergangenen Woche von 600.000 Flüchtlingen innerhalb Osttimors gesprochen. Weitere 200.000 seien nach Westtimor und in andere Regionen Indonesiens geflohen. Zusammen wäre dies fast die gesamte Bevölkerung der ehemaligen portugiesischen Kolonie, die vor dem Referendum auf 850.000 beziffert wurde. Australiens Außenminister Alexander Downer schätzte gestern vor dem Parlament in Canberra die Zahl der Flüchtlinge auf 200.000 bis 300.000, wobei letztere Zahl wahrscheinlicher sei. Die Zahl der Toten sei momentan nicht feststellbar, die Schätzungen reichten von mehreren hundert bis zu 20.000, so Downer. Nach Meinung des Sprechers des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR), Kris Janowski, verschlechtere die Stationierung der Friedenstruppe in Osttimor die Lage der Flüchtlinge in Westtimor, weil auch die Milizen dorthin fliehen. Im indonesischen Westtimor sei die Lage viel beunruhigender als im Osten, da es dort keine Friedenstruppe geben werde, so Janowski.