Bischöfe beraten Pilatus-Prinzip

Oberhirten diskutieren, wie die Kirche Schwangere beraten kann, ohne sich die Hände schmutzig zu machen. Heute wird der neue Vorsitzende gewählt  ■   Von Heide Oestreich

Berlin (taz) – Die Köpfe werden rauchen in der Deutschen Katholischen Bischofskonferenz. Neben der Wahl des neuen Vorsitzenden stehen die Beratungen über den Brief des Papstes an, in dem er die Bischöfe auffordert, das System der staatlichen Schwangerenkonfliktberatung zu verlassen. Die Entscheidung der Bischöfe für einen Kompromissschein „kann nicht unverändert bestehen bleiben“, sagte der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Lehmann, gestern zum Auftakt der Versammlung. Begleitet wird die Konferenz von Appellen der Kirchenvolksbewegung für den Verbleib im System und der konservativen „Aktion Leben“ auf der anderen Seite, der der Ausstieg nicht schnell genug geht.

Ob Lehmann erneut für den Vorsitz kandidiert, ließ er gestern noch offen. Der hochkarätige Theologe gilt als Liberaler, dernicht will, dass die Kirche sich hinter vatikanischen Mauern verschanzt. „Solange die katholische Kirche Ansprüche erhebt, Volkskirche zu sein, muss sie sich auch mit den Problemen beschäftigen, die in der Gesellschaft die Menschen umhertreiben“, sagte Lehmann im Vorfeld der Konferenz. Er warnte davor, „sich in eine Nische zurückzuziehen“. Genau das aber hat der Papst gefordert: Einen Beratungsschein auszustellen, mit dem Schwangere auch zur Abtreibung gehen können, das ist den kirchlichen Puristen zu viel der Verstrickung mit der Welt.

Das Kirchenvolk in Deutschland allerdings will die Kirche eher näher ans Leben rücken: Forderungen wie die Frauenordination oder die Aufhebung des Zölibats werden seit Jahren erhoben. Bei alldem wahrte das Kirchenvolk bisher die Form. Nachdem der Papst allerdings den Kompromiss über den Beratungsschein wieder gekippt hatte, platzte den KatholikInnen der Kragen: Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) sammelt, unterstützt von Kirchenpolitikern aller Fraktionen, schon Mittel für eine Stiftung, mit der eine katholische Konfliktberatung – unabhängig von der Amtskirche – finanziert werden kann.

Die Caritas und der Sozialdienst katholischer Frauen unterstützen das ZdK öffentlich. Die Kirchenvolksbewegung „Wir sind Kirche“ hat den Worten schon lange Taten folgen lassen: Der Verein „Frauenwürde“ hat ein Beratungskonzept entwickelt und in Hessen den ersten Antrag auf staatliche Anerkennung gestellt, um auch in der Dyba-Diözese Fulda wieder katholische Konfliktberatungen zu gewährleisten. Wie so ein System genau aussehen könnte, ist allerdings eher unklar. „Nur von Stiftungsgeldern eine ganze Beratungsstruktur am Leben halten, das ist kaum zu machen“, befürchtet Hans-Jürgen Kocer, der Direktor der Caritas in Duisburg, wo eine der größten Beratungsstellen Deutschlands angesiedelt ist. Mit sechs festen Beraterinnen verschlingt sie pro Jahr 900.000 Mark, 840.000 davon sind Kirchenmittel.

Ohnehin ist eine solche Struktur mehr als unübersichtlich: Frauen würden von einer amtskirchlichen zu einer alternativen, aber staatlich anerkannten Beratungsstelle geschickt. Falls sie sich für ein Kind entschieden, ginge es wieder zurück zur amtskirchlichen Beratung, um dort Hilfsleistungen abzuholen. Eine absurde Situation, die die Frauen wahrscheinlich gleich zur Konkurrenz treiben wird. Eine Entscheidung über die Konfiktberatung wird erst am Freitag erwartet.