Die PDS fährt im Osten Deutschlands weiterhin auf der Überholspur

■ Der Vorstand sieht die Partei als Gewinnerin der Sachsen-Wahl. Jetzt heiße es, die „geistige Offensive“ im Westen zu verstärken

Peter Porsch hat den Stau richtig genossen. Während der sächsische PDS-Landesvorsitzende am Montag im Auto von Dresden nach Berlin zuckelte, um seinen Genossen von der Bundespartei im Detail den Wahlsieg zu schildern, stand sein Handy nicht still. Ein Interview nach dem anderen habe er geben müssen, denn spätestens am Morgen nach der Landtagswahl hätten es auch die Journalisten begriffen: Der eigentliche Gewinner vom Sonntag war die PDS und nicht Biedenkopfs CDU.

Karl-Heinz Kunckel übrigens, der als SPD-Spitzenkandidat seine Partei gerade mal über die zehn Prozent hievte, soll seine Fahrt nach Berlin weniger genossen haben. Porsch, dem jetzt Kunckels Rolle des Oppositionsführers im Landtag zufallen wird, will gehört haben, dass der SPD-Mann auf halbem Wege umdrehte: Wahl verloren, Landesvorsitz aufgegeben und dann auch noch Stau. Die SPD-Gremien mussten auf ihren Mann aus Sachsen verzichten.

Die PDS-Vorständler im Berliner Karl-Liebknecht-Haus hörten Porschs Geschichte gerne: Ihr Mann auf Erfolgskurs, der SPD-Kandidat liegengeblieben, das soll auf der Straße wie in der Politik gelten. Mit der Sachsen-Wahl habe die PDS die SPD als zweitstärkste Partei abgelöst – nicht nur in Sachsen und in Thüringen, sondern in ganz Ostdeutschland.

Mit sozialistischer Freude an der Zahlenbilanz rechnete Parteichef Lothar Bisky am Montag vor: Zähle man die Ergebnisse der Europawahl sowie aller Landtagswahlen in diesem Jahr zusammen (und teilt zum Zwecke der Übung Ostberlin vom „Rest“ der Stadt ab), kommt die SPD auf 2.206.258 Stimmen. Mit 2.279.822 Stimmen liegt am Ende des arithmetischen Kunststücks die PDS eindeutig vorn. Übervater Karl Marx hätte die Bilanz vermutlich trotzdem gegeißelt, schließlich ist die Methode zutiefst ahistorisch, lässt sie doch die wechselnden politischen Umstände hinter den Zahlen unberücksichtigt. Man möge also bitte darauf achten, bremste Geschäftsführer Dietmar Bartsch die Mitsozialisten, nicht noch mal anzunehmen: „Wir sind die Sieger der Geschichte!“

Fürs erste gehört zur Bundesrepublik auch noch der Westen – und die Strategen der Partei wissen, dass sich dort mittelfristig das Schicksal der PDS entscheidet. „Es wird im Westen keine schnellen Erfolge geben“, warnt Wahlkampfleiter André Brie, um sich im nächsten Moment schon Gedanken zu machen, wie seine Partei auch zwischen Passau und Flensburg wachsen kann. Die Ausgangsbasis ist denkbar schlecht. Nicht nur krebsen die Sozialisten in den alten Ländern noch unter den Ergebnissen der FDP. „Die PDS ist für die Westdeutschen eine fremde Partei“, sagt Brie. Er sieht seine Genossen in der Ferne vor allem gesellschaftlich isoliert. Damit ließe sich selbst durch vermehrten Organisations- und Geldaufwand kaum ein Durchbruch erzielen. „Das Ding ist finanziell nicht lösbar, nur kulturell“, meint Brie. Offen ist ohnehin, wie weit die Opferbereitschaft der ostdeutschen Landesverbände für einen Aufbau West ginge. Vielen braven PDS-Funktionären scheint eher dubios, was sich im Westen so unter ihrer Parteifahne versammelt hat.

In den ersten Jahren nach der Wende hatte sich die PDS West als Sammelbecken für Linksversprengte aller Art angeboten, erinnert sich auch Knud Vöcking. Erst seit etwa zwei Jahren bilde sich eine eigene Identität heraus. Seit der Kommunalwahl in NRW von vorvergangener Woche ist Landeschef Vöcking so etwas wie ein Hoffnungsträger für die Westausdehnung einer Partei, die so hartnäckig ostdeutsch wirkt wie die CSU bayerisch. 51 Mandate holten seine Genossen zwischen Rhein und Ruhr und schafften es damit, die Westrepräsentanz der PDS in Gemeindeparlamenten mehr als zu verdoppeln. Besonders gut waren die Ergebnisse etwa in Herne, Duisburg und Bielefeld. André Brie sieht sich dadurch in seinem Kurs einer „geistigen Offensive“ bestätigt. Dort sei die PDS seit Jahren vor Ort aktiv gewesen und habe Kontakte zu Gewerkschaften und Kirchen geknüpft. So durchbreche man die kulturelle Isolation, meint der Stratege. „Bisher sind wir oft nur Weltmeister im Verfassen von Papieren.“ Patrik Schwarz, Berlin