Thema gut verfehlt

■ Die Soundtüftler „Hirn Bein Rennt“ versuchten sich in der „Gesellschaft für aktuelle Kunst“ an großstädtischer Intensität

Wer schon mal bei Hirn Bein Rennt (HBR) gewesen ist weiß, dass er/sie am Besten ein wenig Zeit im Gepäck hat. Und vielleicht noch ein wenig holy smoke, denn für den eiligen Verzehr en passant taugt die Musik der drei jungen Leute mit Schlagzeug, Didgeridoo, elektronischen Effekten und sporadisch eingesetztem Saxophon wie ebensolcher Gitarre nicht. Manchmal brauchen sie eine halbe Stunde um sich auszumeiern, manchmal noch länger. Gibt es überhaupt einen Beat, so ist es keinesfalls ein treibender, sondern puckert eher ambientös unter den Schichten von Sound, die der Elektronik und dem berühmt-berüchtigten australischen Blasrohr entströmen. Am Samstag lautete das Vorhaben, die 'Gesellschaft für aktuelle Kunst' (GAK) unter dem Titel 'stadtleben' „in eine stimmung zu versetzen, die einer großstadt / deren intensität gleichkommt.“

Schon bevor HBR sich an ihre Instrumente begaben, wurden verschiedene Bilder auf die Wände der GAK projiziert, auf denen zumeist Szenen städtischen Lebens zu sehen waren. Eine Super-8-Schleife aus den Bremer (?) Häfen, eine nächtliche Straßenkreuzung, Dias aus New York, ein Flugzeugstart in grob gerasterten Bildern und derlei mehr. Nach einer Weile setzte behutsam der Sound ein. Das erste Stück 'U-Bahn' geriet zu einer langen Strecke, deren konstantes Dröhnen von vereinzelten Schlägen auf Becken ergänzt wurde.

Bei HBR ist Großstadt also ein dunkler Ort, durchzogen von einem bedrohlichen Dauerton, ohne jegliche Brüche, ohne Hektik und Geschwindigkeit. Ein bisschen so, wie es die Gruppe 'Bohren & Der Club Of Gore' schon auf ihrem Album 'Midnight Radio' ausführlich beschreibt, das allerdings von vornherein Bezug nimmt auf regennasse Straßen und die Monotonie und Tristesse des nächtlichen Mülheim a. d. Ruhr oder vergleichbarer Orte.

'stadtleben' kann aber viel mehr sein als mitternächtliches Radio, weshalb mangelnde Präzision beanstandet werden darf, was entweder den Titel 'stadtleben' angeht, oder eben die Musik. Die Entscheidung fällt dabei eindeutig zugunsten Letzterer aus. Wie von HBR kaum anders zu erwarten, fielen die Soundscapes dicht und atmosphärisch aus und hatten bisweilen durchaus physisch wirkende Intensität. Das Publikum wusste es zu schätzen. Andreas Schnell