Böse ist dem Axel niemand

„When we were Shrimps“: Nach der deklassierenden K. o.-Niederlage gegen den adaptierten ukrainischen Landsmann Wladimir Klitschko erklärt Axel Schulz seinen Rücktritt als Deutschlands liebstes Robbenbaby   ■  Aus Köln Markus Völker

Die ältere Dame hatte zwar keine Ahnung vom Boxen, das räumte sie gerne ein. Das Fazit des Kampfes zwischen Axel Schulz und Wladimir Klitschko aber zog sie recht selbstbewusst: Den Ringsprecher Michael Buffer hielt sie für eine „eitle Nuss, der sich ohne Zettel keinen Namen merken kann“. Klitschko kam ihr „sehr relaxt und abgezockt“ vor. Und der Axel habe sich bewegt „wie ein Sandsack. Ganz fürchterlich.“ Zwischen ihren Statements nippte sie an einem Glas Schampus und ging die Prominentenliste in ihrer Nachbarschaft auf den 1.600 Mark teuren Plätzen durch. „Ätzende Fanatiker“ hatte sie neben sich ausgemacht, sogar ein paar Klitschko-Fans unter den sonst so axophilen 18.000 Zuschauern in der KölnArena. Also musste sie unbedingt noch einen Satz über „den Axel“ loswerden. Er tue ihr ganz fürchterlich leid, der Axel, sagte die Dame, und endlich wusste man, was der Spiegel meinte, als er Schulz den Mitleidsfaktor bedrohter Robben zuerkannte.

Beim Kampf um die Europameisterschaft im Schwergewicht (ab 86,2 Kilogramm) der Europäischen Box-Union (EBU) am Samstagabend schnellte der Robbenfaktor weiter nach oben – proportional zur Schnelligkeit und Präzision, mit der Klitschko, 23, seine Treffer in Schulzens Gesicht platzierte.

Das Unheil nahm vom ersten Gong an seinen Lauf. Meist war es blond. Immer nämlich wenn ein hellhaariges Nummerngirl in den Ring stieg, kam es danach für Schulz besonders dicke. Der 30-Jährige hatte in den ersten Runden nach Erscheinen der Brünetten und Rothaarigen bereits zermürbende Treffer von Klitschkos linker Führhand kassieren müssen.

In Runde 5 durfte man Schlimmes erwarten. Im Tiger-Mini stolzierte wieder so eine Blonde im Ring umher. Längst schon führte der Ukrainer deutlich nach Punkten. Schulz wankte nach einer harten rechten Geraden erstmalig. Klitschko legte immer mal seine Faust auf Axels Stirn, so als wolle er die Distanz und sein Ego neu vermessen. Schulz stupste die gegnerische Faust weg. Ab und zu, wenn Schulz aus seinem lethargischen Miasma zu erwachen schien, setzte er an zu einem hilflosen Panthersprung, den um einen Kopf größeren Rivalen zu treffen. Meist schlug er formidable Luftlöcher.

Klitschkos Konter trafen substanzieller. Und eigentlich war für Schulz alles gelaufen, als das Girl mit der Nummer 8 ihre Runde drehte. Wieder blond. So blond. Nach 2:43 Minuten war der Kampf durch K. o. entschieden. Klitschko gewann den Titel, Schulz neue Konturen für sein Bild des netten Losers mit dem Punch eines Schulmädchens. Gleich nach dem Niederschlag gab Schulz seinen Rücktritt bekannt. „Eindeutiger kann man nicht mehr verlieren, von Kampf war von meiner Seite nicht viel zu sehen“, sagte er. „Ich habe an der Weltspitze nichts mehr zu suchen.“ Nein, Klitschko habe er nicht so stark erwartet, vor allem nicht, dass er so hart schlage. Schulz' dick geschwollenes Gesicht bestätigte das eindrucksvoll.

Klitschko dagegen schien ein lockeres Jogging absolviert zu haben, obwohl jede Runde an den Ukrainer gegangen war. Er überwand sein Trauma vom Kampf gegen Ross Puritty in Kiew. Sein Promoter Klaus-Peter Kohl erinnerte sich, dass Puritty ebenso harte Schläge wie Schulz kassierte, nur sei er nicht K. o. gegangen. Klitschkoach Fritz Sdunek gab zum Besten: „Wladimir hat eine Beule, er ist richtig enttäuscht, sonst hat er selten eine Schramme.“ Auch Klitschko sorgte für Heiterkeit: „Axel hat gekämpft wie ein Mann.“ Die ganze Truppe der Universum-Box-Promotion um Kohl zeigte sich in bester Laune, war doch die Konkurrenz von Sauerland (Wilfried Sauerland) zu Boden gegangen. Kohl zu Klitschko: „Wladi, du musst weiter an dir arbeiten, der K. o. hat auf sich warten lassen.“ Klitschko zu Kohl: „Lewis oder Holyfield werden bestimmt schwerer.“

Der Meinung war auch die Dame von den teuren Plätzen. Beim angloamerikanischen Boxen kenne sie sich besser aus, ließ sie wissen. Warum? „Na, ich habe When we were Kings über den Muhammed Ali gesehen.“ Ganz toller Film. Wenn mal einer über den Axel gedreht werden soll, hat sie auch schon den passenden Titel. Sie kichert: „When we were Shrimps“.

Portrait Seite 11