Die Torfabrik stottert, Dieter Eilts nicht

■ Mit dem 2:2 gegen Ulm enden die Bremer Jubelwochen – trotz aller Wunderstürmer

Bremen (taz) – „Na bitte“, sagt Dieter Eilts. „Die Stuttgarter sind mit allen verfügbaren Mistkübeln überschüttet worden – und jetzt haben sie in München gewonnen.“ Das sollte eine Erklärung zum eigenen Spiel gegen Ulm sein: Die Bayern haben vergeigt, na bitte, dann wird man doch auch mal gegen Ulm unentschieden spielen können. Oder was? Kann man, hat man ja auch. 2:2, mehr war nicht drin beim Heimspiel am Samstag. Ein Dämpfer nach der vergangene Fest- und Jubelwoche mit 17 Toren in drei Spielen. Die Bremer Torfabrik stottert.

Das heißt: Eigentlich ist der Höhenflug und die Torfabrik und der neue Wundersturm nichts weiter als eine Erfindung der Medien. Findet Trainer Schaaf und findet sein Vormann Eilts sowieso. Denn an der Parole für die Saison hat sich rein gar nichts geändert, da können sich noch so viele Kamerateams und schreibende Reporter um einen Interviewtermin mit dem neuen Sensationsstürmer Claudio Pizarro balgen: „Wir spielen gegen den Abstieg“, sagt der Käpt'n. Und wann sich das ändert? „Wenn wir die entsprechenden Punkte zusammenhaben.“ Das Übliche. Kleine Pause, dann: „Natürlich hoffe ich, dass das bald sein wird.“ Und grinst. So ganz kann sich selbst der notorische Abwiegler Eilts die Hoffnung auf nicht nur bessere, sondern endlich mal wieder gute Zeiten bei Werder nicht verkneifen.

Wie sollte er auch? Schließlich ist die ganze Stadt in Aufruhr, seit bei Werder plötzlich nicht nur erfolgreicher, sondern auch noch attraktiver Fußball gespielt wird. Diese Kombination gab's auch unter Otto eher selten. Rehhagel wird, wie neulich, beim Gastspiel freundlich empfangen und respektvoll – nicht mehr als Messias auf Besuch. Otto auf Normalmaß – einen größeren Beweis gibt es kaum: Bei Werder ist eine neue Zeit angebrochen. Die Ära Thomas Schaaf.

Noch ein Beweis? Bitte sehr: Am Samstag geht der Bremer voller hochgesteckter Erwartungen ins Stadion, die grün-weißen Kicker schaffen knapp zehn Minuten vor Ultimo gerade mal noch ein vergleichsweise mageres Unentschieden gegen den Aufsteiger aus dem Tabellenkeller – und das Volk, es murrt nicht. Im Gegenteil. Jubel und Applaus gab's von den Rängen: „Boaah, spannend!“ Und erst im Nachsatz ein „Na ja, hätten sie schon gewinnen müssen“.

Hätten sie tatsächlich. Vier, fünf Großchancen ließen die hoch überlegenen Bremer ungenutzt. So schön und erfrischend kann Fußball sein, die Bremer Zuschauer hatten das fast schon vergessen. Aber möglicherweise waren die cleveren Defensiv-Fußwerker aus Schwaben auch genau der rechte Gegner zur rechten Zeit. Trainer Schaaf steht für flotten Kombinationskick nach vorne – da werden sich die Bremer noch ziemlich häufig mit Gegnern wie Ulm auseinandersetzen müssen, die ihr Heil erstens in der Destruktion und zweitens im langen Pass auf schnelle Spitzen suchen.

Genau das sind die Erkenntnisse, die Thomas Schaaf aus dem Samstag ziehen kann: Dass erstens der Stürmer Ailton zwar schnell auf den Beinen sein mag, für den überraschenden Doppelpass allerdings zu langsam im Kopf; und dass zweitens Julio Cesar immer noch den gut stehenden Mr. Cool in der Abwehr machen kann, dass er aber für schnelle Gegenstöße zu lahm geworden ist. Beide Ulmer Tore wurden durch schnelle Konter eingeleitet. Wobei beim zweiten der etwas zu behäbige Herr Cesar den Ulmer Pleuler auch noch derart ungeschickt von den Beinen holte, dass Bremen fortan nur noch mit zehn Mann auf dem Platz stand und die Ulmer plötzlich elfmeterbedingt mit 2:1 führten.

Mit etwas Glück hätte Werder als Tabellenführer in die neue Woche gehen können. Damit ist nun Essig. Am Donnerstag müssen die Bremer eine Uefa-Cup-Pflichtübung gegen Bodö Glimt (Hinspiel 5:0) ableisten. Und am Sonntag geht's nach Freiburg, zur zweiten Torfabrik der Liga. Bremen freut sich auf ein – sagen wir mal – 6:6. Und das Remis gegen Ulm ist vergessen. Jochen Grabler