taz-GenossInnen versammeln sich in Berlin

■  „Fasziniert“ von den Sparanstrengungen der taz, haben die GenossInnen am Wochenende über die Zukunft der Zeitung diskutiert. „Rot-Grün ohne taz“ können sie sich gar nicht vorstellen und wünschen sich „genetische Grantler“ in der Redaktion

Berlin (taz) – „Shit happens“, beschreibt Chefredakteurin Bascha Mika die Lage der taz zu Anfang des Jahres. „Verheerend“ nennt Rechtsanwalt Jonny Eisenberg die wirtschaftlichen Ergebnisse der taz-Gruppe heute. Aber die 210 Frauen und Männer, die sich an diesem Samstag zur Generalversammlung der taz-Genossenschaft in Berlin versammelt haben, lassen sich nicht von sinkenden Abo-Kurven und steigendem Konkurrenzdruck auf dem Zeitungsmarkt beeindrucken. „Ich habe in die taz investiert, damit sie überlebt“, sagt ein Genosse und ein anderer meint: „Rot-Grün ohne taz – das kann sich niemand vorstellen.“

Also verabschieden die aus ganz Deutschland angereisten „GenossInnen“ mit Einlagen zwischen einer und vielen Tausend Mark den Vorstandsbericht und wählen mit überwältigender Mehrheit die Publizistin Elke Schmitter – ehemalige taz-Chefredakteurin – in den Aufsichtsrat. Einen halben Tag lang hören sich die GenossInnen an, welche Projekte die Zeitung dieses Mal entwickelt hat, um die Krise zu bewältigen: Eine neue taz für das Jahr 2000 mit täglich mehreren ganzseitigen Schwerpunkten und erweitertem Meinungsteil. Außerdem soll die Berichterstattung in Nordrheinwestfalen wieder ausgeweitet werden. Zusätzlich sollen bis Jahresende 4.000 neue AbonnentInnen geworben werden.

taz-GenossInnen streben mit ihren Einlagen keine Spekulationsgewinne an. Genosse Günter Liebert vergleicht die taz mit der Titanic: „Beide interessieren unglaublich viele Leute. Aber wer traut sich schon eine Fahrkarte zu kaufen?“ Die Regel gilt freilich nicht für alle. Antonia Rötger aus Berlin will zum Beispiel demnächst die Aussteuerversicherung, die einst ihre Großmutter für sie abgeschlossen hat, in einen zweiten taz-Anteil investieren.

taz-GenossInnen sind aufmerksame BeobachterInnen ihrer Zeitung. Sie loben die Kosovo-Berichterstattung der taz, nennen die Hanfbeilage „Weltklasse“, wünschen sich „genetisch grantige Menschen“ in der Redaktion und verlangen extrem viel Distanz zu PolitikerInnen. Auch zu den aktuellen Projekten. Eine doppelte Meinungsseite findet Genosse Richard Kelber aus Dortmund „zum Kotzen“, denn er will Fakten: „Eine Meinung kann ich mir selber bilden.“

Aber im Zentrum der Debatte steht auch dieses Mal das Geld – und das Sparen. Einzelne GenossInnen haben Vorschläge zur Verbesserung der Einnahmen mitgebracht: Wochenend-Abos, eine Suche nach Sponsoren in den Parteien, eine neue Solikampagne und einen neuen Versuch, die taz in den Osten Deutschlands auszuweiten, „jetzt, wo die Vereinigung schon ein paar Jahre zurückliegt“. Andere zeigen sich von den bisherigen Sparerfolgen der taz geradezu „fasziniert“.

Dennoch wollen die AnteilseignerInnen der taz nicht überall den Gürtel enger schnallen. Am Samstagabend bei der Party im Foyer und Garten der Waldorf-Schule zeigen sich viele überrascht darüber, wie knapp die AuslandskorrespondentInnen der taz gehalten werden. „Man stellt sich vor, dass die luxuriös durch die Weltgeschichte jetten“, sagt Genosse Wolf Bayer aus Stuttgart. Und eine Berlinerin, mit ganz besonderem Faible für die Afrika- und Italien-Berichterstattung in der taz, hofft auf eine Aufstockung des Auslandsetats.

Während ein paar Kilometer weiter eine Gruppe von autonomen Berliner Linken die Reste vom taz-Büffet verspeist, die ihnen Genossin Imma Harms hat zukommen lassen, wundern sich die GeldgeberInnen der taz über eine bemerkenswerte Abwesenheit bei ihrer Versammlung. „Wo sind eigentlich die taz-Redakteure?“, fragt ein Genosse, „mit denen hätten wir heute gern mehr diskutiert.“ Dorothea Hahn/

Matthias Fink;

Fotos: Rolf Zöllner