Alles ist im/am Fluss

■ 7.-12. Oktober: Zum 6. Mal zeigt das Queerfilm-Festival im Kino 46 schwul-lesbisches Kino für HomoInnen und HeteroInnen

Die Layouter des „Bremer“ waren von Beni und Fögi offenbar gleich derart hin und weg, dass sie die beiden schönen Jungs auf ihre Titelseite hievten. Jetzt rockt dort also nicht ein halbdarniedergerotter Bryan Adams. Stattdessen lutscht ein superjunger Anti-Rockstar an der Zunge eines noch jüngeren Nobodys, den die harmlose Frage, was er eigentlich den ganzen Tag treibe, noch richtig fertig machen kann. Wir schreiben die 70er Jahre. Genauer: Martin Frank schrieb. Einst war sein Roman „Ter Fögi ische souhung“ (=Sauhund) in der Schweiz ein Super-Mega-Kultbuch für alle Pfadfinder auf der Spur der definitiven Entgrenzung, einfacher gesagt, für alle Benutzer von Bier, H, Hasch.

Jetzt hat Marcel Gisler die Geschichte von der ersten, also unvergleichlichen Liebe eines 16jährigen Buben zu einem etwas allzu früh nietzscheanisch-übermenschlichen Aus-der-Welt-Gefallenen liebevoll verfilmt.

Der Film ist einer von sechs brandneuen Spielfilm-Highlights, die die rührige Queer-Film-Arbeits-gruppe des Kino 46 auf diversen Homo-Festivals ausfindig gemacht hat. Besonders stolz ist sie aber auf „Infam“ mit Audrey Hepburn und Shirley MacLaine von 1961 (So, 20.30 h), der erste Hollywoodfilm, der es wagte (wenn auch unterschwellig) Lesbianismus zu thematisieren – in einer Mädchenschule, na typisch. Audrey Hepburn kommt übrigens bei vielen Lesben gleich hinter Jodie Foster. Außerdem gibt es allerlei Kurzfilme (Fr, 22.30 h) und Dokumentationen über das legendäre live-on-TV-Outing des US-soap-opera-Stars Ellen DeGeneres. (So, 18.30 h).

Der Regisseur des Sauhund-Films sagte mal, dass sein Film genauso gut hetero mit Frau und Mann besetzt hätte werden können. Auch in anderen Filmen kommt Homosexualität vor, einfach so, nebenbei, ohne Thema des Films zu sein, und vor allem: ohne Problem zu sein. Und selbst Hollywood hat keine „Probleme“ mehr mit Homosexualität, siehe z.Z. „Trick“. Diese Tendenz spiegelt sich im Progamm wieder. Experimentelles off-Kino von/für Außenseiter (Sa, 18.30 h: „Signalstörung“) mischt sich mit großen, mainstreamnahen Produktionen (Sa, 20.30 h: Rescuing Desire). Coming-out-Geschichten finden kaum mehr im Teenie-Alter statt, zumindest nicht blut- und tränenschwer; es sind immer öfters Erwachsene, die das Abenteuer des Seitenwechsels genießen. Schließlich sind wir alle kleine Götter, die ihr Ego Tag für Tag neu kneten. So ähnlich sieht es zumindest Monika Treut.

Die widmete ihren neusten Film all jenen, die schwerelos wie Astronauten im Raum zwischen den Geschlechtern schweben. Also nannte sie ihn „Gendernauts“. Aufs Neue porträtiert Treut ungewöhnliche Personen mit dem humanistischen Hintergedanken, ein biss-chen mehr Mut in diese feige Welt hineinzutragen. Und wer ist es, der durch die multigeschlechtliche Welt von L.A. führt? Es ist die Sex-macht-frei-Aktivistin Annie Sprinkle, der vor sieben Jahren viele BremerInnen im Modernes inte-ressiert in die Vagina hineinguckten.

Dass die Sache mit der Freiheit und dem Sex ein bisschen komplizierter ist, zeigt Gislers wunderschöner Sauhund-Film. Vor allem macht er deutlich, wie sich das Macht-, Abhängigkeits- und Sympathiegefälle zwischen zwei Menschen rasend schnell verändern kann. Alles ist im Fluss. Manches sogar am Fluss.

Zum Beispiel die Queerfilmparty (Sa ab 22 h), direkt an der Weser, im Wehrschloss. Dort sind lauter Filmstars an die Wand gepinnt. Und wer kommt, möge sich möglichst auch glamourös aufstylen. Wenn dann noch ein paar Gestalten von „Selig sind die Dürstenden“ (Sa, 22.30 h), einer Verfilmung des Lesbenkrimis der norwegischen Rechtsanwältin Anne Holt, so Purple-rose-of-Kairo-mäßig aus der Leinwand stapfen und kurz vorbeischauen, dann wird zu Weser und Wein auch noch jede Menge Blut fließen. bk

Am Donnerstag um 20 h kommt Regisseur Oliver Husain, am Samstag, 18.30 h Regisseur Thomas Mank, für die Mitveranstalterinnen Ruth und Claudia ein „absolutes must“.