CDU ohne gesellschaftliche Mehrheit    ■ Diepgen braucht die SPD

Es ist paradox: Da wird der CDU in Umfragen eine absolute Mehrheit prognostiziert, doch die Union will gar nicht allein regieren. Die Wahrheit ist: Diepgen braucht die SPD – und das gleich aus mehreren Gründen.

In der Finanzpolitik wäre es vorbei mit der bequemen Rollenverteilung. Die CDU müsste künftig die Verantwortung für Kürzungen tragen, die sie bislang der SPD zugeschoben hat. Viele CDU-Versprechen würden schnell als unhaltbar entlarvt.

Schon die Bildung eines achtköpfigen Senats dürfte Diepgen Mühe bereiten. So üppig ist die CDU mit Spitzenpersonal nicht bestückt. Blieben dann womöglich Gesundheitsenatorin Beate Hübner und Verkehrssenator Klemann im Amt, die durch äußerst mangelhafte Leistung auffielen?

Bei einer CDU-Alleinregierung ließe sich auch nicht mehr übertünchen, dass die Union für wichtige Fragen der Stadt wie beispielsweise die Verkehrspolitik keine Konzepte haben. Die hohe Zustimmung hat die CDU vor allem dem bundespolitischen Trend zu verdanken. Wie schnell sich Wähler abwenden, wenn ihre Erwartungen nicht erfüllt werden, erlebt gerade die Bundesregierung.

Im Parlament sähe sich die CDU einer starken Opposition aus SPD, Grünen und PDS gegenüber. Leicht könnte ein CDU-Senat unter Dauerbeschuss geraten. Bei einem härteren Kurs in der Inneren Sicherheit und der Ausländerpolitik wäre eine Polarisierung unvermeidlich. Denn auch bei einer absoluten Mehrheit hat die CDU keine gesellschaftliche Mehrheit in der Stadt.

Diepgen braucht die SPD nicht zuletzt, um seine liberale Großstadtpolitik gegenüber den Hardlinern in der eigenen Partei durchzusetzen. In einer Alleinregierung wäre Diepgens Senat auf jede Stimme aus den eigenen Reihen angewiesen. Damit wächst die Gefahr, von CDU-internen Kritikern unter Druck gesetzt zu werden oder von solch unberechenbaren Abgeordneten wie Ekkehard Wruck abhängig zu sein. Ein wahrer Alptraum für Diepgen. Sein einziger Trost: Die Gefahr einer absoluten CDU-Mehrheit wird auf SPD-WählerInnen ausgesprochen mobilisierend wirken. Dann bliebe Diepgen das Schlimmste erspart. Dorothee Winden