Wasserwerfer schützten das Kanzleramt vor Protesten

■ Zum Tag der Einheit demonstrierten 700 Linksradikale gegen „Deutschlandwahn“

Mit einem Großaufgebot reagierte die Polizei in der Bundeshauptstadt auf linke Proteste am Vorabend des Tages der Deutschen Einheit. Wasserwerfer, Räumpanzer und mehrere Einsatzhundertschaften schirmten am Samstag nach Anbruch der Dunkelheit das Kanzleramt am Schlossplatz in Berlin-Mitte vor der ersten Demonstration der radikalen Linken durch das neue Regierungsviertel seit dem Regierungsumzug von Bonn nach Berlin ab.

Der bedrohlichen Szenerie und den wehenden Anarchie-Fahnen zum Trotz blieb es friedlich – und auch wer von den Demonstranten vor dem Kanzleramt radikale Kritik an der Regierungspolitik erwartet hatte, sah sich getäuscht. Nur dem Erhalt eines besetzten Hauses in der Köpenicker Straße widmete sich der Redebeitrag eines Sprechers im Licht der Flutscheinwerfer vor dem ehemaligen Staatsratsgebäude.

Rund 700 Menschen waren dem Aufruf zur Demonstration unter der Parole „Den Deutschlandwahn stoppen“ gefolgt. Ein Redner kritisierte: „Angesichts des sozialen Kahlschlags und der Aufrüstung des Sicherheitsapparates gibt es nichts zu feiern.“

Für Belustigung unter den Teilnehmern sorgte ein Dokumentationswagen der Polizei, dessen Teleskopkamera sich kurz vor dem Alexanderplatz in den Oberleitungen der Straßenbahn verhakte. Das Missgeschick löste kurzzeitig leichte Panik unter den umstehenden Beamten aus. Ansonsten verlief der autonome Protestmarsch ohne Zwischenfälle.

Schon am Nachmittag war eine Kundgebung des rechten „Bundes Freier Bürger“ (BFB) vor der Gedenkstätte in der Neuen Wache in den Pfiffen linker Gegendemonstranten untergegangen. Zu der Veranstaltung mit dem Titel „Holocaust-Mahnmal? Nicht mit mir“ war gerade einmal eine Handvoll Rechter angetreten. Nichtsdestotrotz entblödete sich der Spitzenkandidat des BFB, Thorsten Witt, nicht, sich als Sprecher der „überwältigen Mehrheit des deutschen Volkes“ zu gerieren.

Mehreren Vermummten gelang es trotz strenger Sicherheitsmaßnahmen, die Rechten vom Dach der angrenzenden Humboldt-Universität aus mit Leuchtspurmunition zu beschießen. Verletzt wurde niemand. Schließlich ließen sich die Kämpfer gegen das Holocaust-Mahnmal von der Polizei aus der Gefahrenzone eskortieren.

Andreas Spannbauer