die stimme der kritik
: Betr.: Basisdemokratie

Von grünen Autohändlern und Bademattenvertretern

Als erfolgreicher Unternehmer haben Sie es langsam satt, immer nur andere Unternehmen freundlich oder feindlich zu übernehmen? Sie suchen eine neue Herausforderung? Wie wäre es denn mit einer schnuckeligen kleinen Partei? Einem Landesverband der Grünen etwa. Der ist ganz billig zu haben. Und vielleicht können Sie sogar noch Gewinne erzielen mit Ihrer (!) Partei, wenn die bei Wahlen noch einmal die Einprozenthürde überspringen sollte – und dann die Ausschüttung der Wahlkampfkosten ansteht.

Das Ganze funktioniert tatsächlich: nach dem System Ulrich. Der grüne Autohändler Hubert Ulrich aus Saarlouis animierte alle seine Verwandten und Bekannten zum Eintritt in die grüne Partei; und die aktivierten wiederum alle ihre Verwandten und Bekannten. Weil das aber noch nicht ganz reichte zur Übernahme des Landesverbandes, verbündete sich Ulrich mit dem Bademattenvertreter Andreas Pollak aus Homburg. Am Ende der zehn Werbewochen gab es knapp 2.000 neue Grüne in saarländischen Ortsvereinen; alles treue Gefolgsleute von Ulrich und Pollak. Und diese Delegierten beherrschen ab sofort alle Parteitage. Die Grünen an der Saar – eine Holding des Autohauses Ulrich. Und das Schöne daran: Niemand muss lästige Mitgliedsbeiträge bezahlen; von wegen Basisdemokratie. Was geht – und was nicht – bestimmt der autonome Ortsverein. Und der Bundesvorstand der Partei nimmt es mit einem Schulterzucken zur Kenntnis. Schöne Welt der Basisdemokratie.

Na? Haben Sie jetzt auch Lust bekommen, einmal – wie Ulrich und Pollak 1994 bis 1999 – ein bisschen Landtagsluft zu schnuppern? Ein kleiner Landesverband wie Rheinland-Pfalz etwa könnte der nächste Übernahmekandidat sein. Wahlen sind dort schon im nächsten Jahr; und es gilt das Delegiertenprinzip. Also gleich zuschlagen. Das System Ulrich ist sicher auch interessant für eloquente Arbeitslose mit großem Verwandten- und Bekanntenkreis. Oder schlucken Sie problemlos einen grünen Landesverband im Osten. Da brauchen sie nur noch zehn oder zwanzig Leute. Dafür sind die Gewinnerwartungen aber eher bescheiden. Eine ABM-Maßnahme für den grünen Aufbau-Ost können Sie aber als neuer Parteichef sicher gleich beantragen, verspricht

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT