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: Wolfgang Feyerabends „Berliner Hoflandschaften“

Hof im Glück

Das Interessanteste an den meisten der neu erscheinenden Berlin-Bücher ist die Verwendung des Wortes „wieder“. Mitte entsteht wieder, der Kurfürstendamm erstrahlt wieder, der Potsdamer Platz konzentriert wieder, das Kranzler eröffnet wieder. Das „wieder“ suggeriert nicht nur, dass an all diesen Orten eine geschichtliche Kontinuität gewahrt werde, sondern verweist auch eindringlich darauf, dass es sich bei deren Erscheinungsbildern eine Zeit lang um falsche gehandelt habe. Falsch im Sinne von geschichtswidrig. Jetzt aber sieht es so aus, als sei die Geschichte abgeschlossen und von der Warte des Richtigen aus alles bewertbar. Und korrigierbar.

So wird der Bezirk Mitte, der vor dem Krieg eher ein elendes Viertel war, zu leuchtender Schön- und Reinheit „re“-konstruiert. Eines dieser Bücher, die das unumwunden feiern, ist „Berliner Hoflandschaften“ des umtriebigen Berlinbuchautors Wolfgang Feyerabend. Zunächst stellt er in einem kurzen Abriss die „kleine Geschichte der Berliner Höfe“ dar, dann präsentiert Feyerabend seine durchaus hübschen Fotos der Höfe. Die Hofgeschichte beginnt zwar mit einer kurzen Schilderung des Elends, relativiert diesen Eindruck jedoch bald, um Gottfried Keller zu zitieren, dem der ständige Arbeitslärm aus den Hinterhofwerkstätten eine willkommene Mahnung war, doch auch selbst „rechtschaffen“ zu arbeiten.

Feyerabend spielt bei seiner Schilderung sehr locker eine biedermeierliche Darstellung gegen eine gründerzeitliche aus und setzt ganz nebenbei auch bürgerliche Schriftsteller als Zeugen für die Eindrücke des gründerzeitlichen Proletariats ein. Als seien Ziegen und Kühe vergleichbar. Wolfgang Feyerabend ist’s wurscht, denn schon bald wirft er sich vollends auf das Aufzählen von Grundstückspreisen und Versicherungssummen und listet nebenbei akribisch alte Mieterlisten auf, um mit ihnen etwas auszusagen. Nur was?

Erst wenn man die an die „kleine Geschichte“ anschließende Fotostrecke betrachtet, wird klar, warum Feyerabend die zeitgenössischen Schilderungen des Hoflebens sowohl von Tucholsky und Zille als auch von Nachkriegsbewohnern ausspart. Denn Feyerabend geht es nicht um eine Geschichte der Höfe und des Hoflebens, sondern um die Darstellung einer Erfolgsstory. Die „Berliner Höfe“, die Feyerabend übrigens ausnahmslos in den Zentrumsbezirken des Ostens findet, sind nämlich schöne mittelständische Abschreibungsobjekte geworden, mit fein geputzten Fenstern und Fassaden, mit Blumen im Hof und netten Leuten. Feyerabend erzählt, dass jetzt gutgemacht wurde, was vor wenigen Jahren noch schlimm war.

Mit seinen Darstellungen des Berliner Hoflebens und seiner Feier des billigen Geschmacks westdeutscher Immobilienfirmen leistet dieses Buch nichts zur Hofgeschichte, im Gegenteil, es lenkt von ihr ab. Dieses Buch ist nur schön. Und völlig falsch. JÖRG SUNDERMEIER

Wolfgang Feyerabend: „Berliner Hoflandschaften“. Kai Homilius Verlag 2000, 116 S., 39,80 DM