„Ich lass mich nicht verbiegen“

Heute Nachmittag weiht der DFB das Denkmal des unbekannten Fußballprofis ein

Ehrungen für die Stars, die Legenden der Fußball-geschichte, gibt es genug

Rechtzeitig zum Start der Bundesliga-Rückrunde dringt eine beinah sensationelle Neuigkeit aus der Otto-Fleck-Schneise, dem Hauptquartier des Deutschen Fußball-Bundes, an die Öffentlichkeit. Der größte Sportfachverband der Welt möchte ein Zeichen setzen und hofft, wie Insider bestätigen, dadurch die Verhandlungen zwischen EU und Uefa um den Angestelltenstatus von Fußballprofis zu beeinflussen. Andererseits soll durch die Aktion das Wohlwollen nicht nur der deutschen Spielergewerkschaft gewonnen werden. Ob das gelingt, bezweifeln allerdings Fachleute und Experten gleichermaßen.

Worum geht’s? Um nichts Geringeres als die Einweihung eines Denkmals für den unbekannten Fußballprofi. Ehrungen für die Stars, die Legenden der Fußballgeschichte gibt es genug, aber noch niemand hat offensiv die zahllosen Spieler in den Vordergrund gestellt, die heute nur mehr in den statistischen Jahrbüchern dem eingefleischten Fan präsentiert werden. Der Name des unbekannten Fußballprofis, der Pate steht für das Denkmal, ist selbstverständlich geheim und wird es auch bleiben, bis die Bild-Zeitung dahinter kommt. Aber die Geschichte seiner Karriere liegt uns vor. Nennen wir den armen Teufel hilfsweise Manne Schulz.

Den ersten Rückschlag erlitt Schulz beruflicher Lebensweg durch eine Zerrung des Syndesmosebands, nachdem eine Schleimbeutelentzündung im rechten Sprungelenk gerade abgeheilt war. Endlich wiederhergestellt, riss das Innenband im linken Knie, was halb so schlimm gewesen wäre, wenn nicht Mannschaftsarzt Dr. Martin Metzenbaum bei einer Kernspintomographie festgestellt hätte, dass auch die Kreuzbänder in Mitleidenschaft gezogen worden waren. Als Schulz Monate später nach einer eingeschobenen Leistenoperation schon wieder Lauftraining absolvierte, zog sich der Pechvogel einen Kapselriss am rechten Knöchel zu, dem sich eine Distorsion der Lendenwirbelsäule zugesellte. Etwas weniger langwierig war die Nagelbettentzündung am linken großen Zeh. Danach aber warf ihn eine Nierenbeckenentzündung, begleitet von einer Adduktorenzerrung, zurück. Ganz dicke kam es mit dem Bruch des rechten Jochbeins, denn bei dem Eingriff wurde auch eine Kieferfraktur auf der gegenüberliegenden Seite festgestellt. Im ersten Training nach seiner Rekonvaleszenz kugelte sich Schulz den kleinen Finger der linken Hand aus, und als ob das noch nicht genug wäre, riss obendrein eine Sehne im rechten Mittelfinger, aber der Verdacht, dass das Wadenbein gebrochen sein könnte, bestätigte sich nach einer Röntgenuntersuchung nicht. Kaum genesen, musste Dr. Metzenbaum Gewebeverklebungen an der Leiste lösen, und weil er schon mal dabei war, richtete er den eingeklemmten Ischiasnerv. Das alles war kaum vergessen, als Schulz sich mit einer Sprunggelenk-Verletzung herumplagte, die bald verheilte, doch kurz darauf setzte ihn ein Pferdekuss am linken Oberschenkel außer Gefecht. Im Herbst kam es knüppeldick: Einer Risswunde an der linken Wade folgte eine Sehnenentzündung im rechten Fuß, der sich Beschwerden an der Kniescheibe anschlossen, die arthroskopisch behoben wurden. Nach dem Eingriff litt der Unglücksrabe unter einer Nebenhöhlenentzündung, die zusammen mit der Nackenwirbelprellung und der Bauchmuskelzerrung leider nur Vorbote einer Schultereckgelenksprengung war. Immer wieder ermunterte Dr. Metzenbaum seinen Schützling eindringlich, den Kopf nicht hängen zu lassen, aber keine zwei Tage später musste der weltbekannte Chirurg schon wieder zum Skalpell greifen, um eine Schleimhautfalte aus einem Gelenkspalt des linken Knies zu entfernen. Als Schulz sich wieder an die Stammelf herangekämpft hatte, gab es beim Aufwärmen für das entscheidende Spiel um die rote Laterne den finalen Schlag: Die vorläufige Diagnose lautete Teilabriss der Bizepssehne am Wadenbeinköpfchen. Schulz’ Abschiedsworte klangen trotz ihrer Kürze und Knappheit sybillinisch: „Alles, was ich habe, verdanke ich dem Fußball, und ich werde ihm das zurückgeben, das halte ich für meine Pflicht. Ich bin alles andere als ein Typ von der Stange, ich lass mich nicht verbiegen.“

Schulz wird bei der Einweihung des Denkmals heute nicht anwesend sein, sonst bliebe er nicht, wie Schlaumeier richtig vermuten, unbekannt. An dieser Stelle aber sei seiner gedacht.

DIETRICH ZUR NEDDEN