Musik für eine bessere Welt

Das Weltsozialforum im brasilianischen Porto Alegre hat begonnen. 4.000 Teilnehmer aus 120 Ländern lauschten der Eröffnungsrede, 15.000 einem Open-Air-Konzert

PORTO ALEGRE taz ■ Unter strahlendem Himmel begann am Donnerstag im südbrasilianischen Porto Alegre das erste Weltsozialforum. Bei wohl an die 30 Grad mehr als in Davos, wo zeitgleich das Weltwirtschaftsforum stattfindet, marschierten mehrere tausend Teilnehmer „gegen den Neoliberalismus und für das Leben“ durch die Straßen.

Bereits im Vorfeld hatte Bernard Cassen, Chefredakteur von Le Monde diplomatique und einer der Initiatoren des Treffens, drei gemeinsame Forderungen der rund 3.000 versammelten Delegierten verkündet: einen Schuldenerlass für die Länder des Südens, die Besteuerung internationaler Finanztransaktionen und die Aufwertung öffentlicher Rentensysteme. „In Seattle, Washington und Prag haben wir klar gemacht, dass wir den Internationalen Währungsfonds, die Weltbank und die Welthandelsorganisation ablehnen“, sagte Cassen. „Jetzt gehen wir zu einer konstruktiven Haltung über und werden neue Perspektiven aufzeigen.“

Eher kläglich geriet die Attacke des brasilianischen Präsidenten Fernando Henrique Cardoso, als er die Versammelten mit den Maschinenstürmern des 19. Jahrhunderts verglich: „Es ist unmöglich, das Rad der Geschichte zurückzudrehen, die Telekommunikation, die schnellen Informationen im Finanzbereich zu verhindern.“ Auch kritisierte Cardoso, dass die Landesregierung des südlichsten brasilianischen Bundesstaats Rio Grande do Sul das Treffen mit etwa einer Million Mark unterstütze. Gouverneur Olívio Dutra von der Arbeiterpartei PT konterte, die Zentralregierung habe sich Brasiliens Expo-Teilnahme 18 Millionen Mark kosten lassen.

In seinem Grußwort auf der Eröffnungsveranstaltung im überfüllten Auditorium der Katholischen Universität kritisierte Dutra das „Einheitsdenken“, das derzeit die internationale Politik bestimme. Statt eines „Minimalstaates im Dienst einiger weniger Interessengruppen“ befürworte er einen „beweglichen, effizienten Staat“, der die Mehrheit der Bevölkerung in den Mittelpunkt der Politik stelle.

Die rund 4.000 Zuschauer aus 120 Ländern bejubelten Dutras Rede ebenso begeistert wie die gelungene dramatische Umsetzung des Mottos „Eine andere Welt ist möglich“ durch eine Truppe brasilianischer Arbeits- und Landloser. Anschließend marschierten rund 15.000 Menschen zum Ufer des Guaíba-Flusses, wo bis Dienstag fünf Open-Air-Konzerte geplant sind. Doch schon jetzt ist klar: Porto Alegre wird weit mehr als ein Polit-Woodstock. GERHARD DILGER