Evers: Geisterstiftung droht

Bundesverband der NS-Verfolgten wirft Industrie vor, Zwangsarbeiter nicht ausreichend über ihre Ansprüche aufzuklären. Viele Firmen weigern sich, ihre Archive zu öffnen

BERLIN taz ■ Angesichts der weiteren Verzögerung bei der Entschädigung von NS-Zwangsarbeitern hat der Bundesverband Information und Beratung für NS-Verfolgte erneut ein Stufenverfahren angemahnt. Damit könne unabhängig von der letzten noch anhängigen US-Sammelklage gegen Banken bereits mit der Auszahlung begonnen werden, sagte Verbandssprecher Lothar Evers gestern in Berlin. Andernfalls werde die Entschädigungsstiftung zur „Geisterstiftung“.

Ein US-Bundesgericht in New York hatte am Mittwoch die Abweisung der letzten Sammelklagen vertagt. Ihr in zehn Tagen erwartetes Urteil werde die Richterin voraussichtlich an die Bedingung knüpfen, dass das Geld der Wirtschaft zur Verfügung stehe, betonte Evers.

Er kritisierte, dass die Stiftungsinitiative der Wirtschaft ihre schon gesammelten 3,6 Milliarden Mark bislang nicht an die Bundesstiftung übertragen habe. „Die Banken nehmen eine Million Zwangsarbeiter in Haftung für zwei, drei Verfahren der spitzfindigsten Art.“

Stiftungssprecher Wolfgang Gibowski beharrte gestern jedoch darauf, dass das Geld treuhänderisch verwaltet und daher erst weitergegeben werde, wenn Rechtssicherheit bestehe.

Noch immer seien viele Opfer nicht über ihre Ansprüche informiert worden, so Evers. Statt mit ganzseitigen Anzeigen für den Beitritt zur Stiftungsinitiative zu werben, solle diese lieber die Opfer aufklären.

Der Bundesverband hat nun selbst eine Info-Hotline für die Opfer geschaltet und zudem eine Umfrage unter 700 Archiven gemacht, ob sie Beschäftigungsnachweise führen. Die Kommunalarchive seien überwiegend bereit, ihre Bestände zu öffnen. Die meisten Firmen verweigerten dagegen die Mitarbeit. Evers sprach von einem „absoluten Ausfall“, habe der Bundestag sie doch per Entschließung zur Öffnung ihrer Archive aufgefordert. NM

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