Verbraucherschutz öffentlich verhöhnt

■ Eine Diskussion der Bremer Landwirtschaftskammer reißt tiefe Gräben zwischen Erzeugern und Verbrauchern

Verbraucherschutz, BSE und Rinderhaltung? Wo dazu Fragen gestellt werden, reißen auch im Land Bremen – Heimat von 13.000 registrierten Rindviechern – tiefe Gräben auf. Den jüngsten Beweis davon, wie wenig die Probleme der VerbraucherInnen offensichtlich bei Politik und Erzeugern verstanden werden, lieferte jetzt eine Diskussionsveranstaltung der Bremer Landwirtschaftskammer. Dabei wurde die aufs Podium geladene Chefin der Bremer Verbraucherzentrale, Irmgard Czarnecki, Zielscheibe von fast 200 wütenden Bremer Landwirten – als wäre die Verbraucherschützerin verantwortlich für die BSE-Krise, die der Landwirtschaft drastische Umsatzeinbrüche beschert, nachdem erst eine BSE-kranke Kuh nach der nächsten und zuletzt gepanschte Wurst entdeckt wurden.

Besonders pikant: Bei der Veranstaltung vergangene Woche nährten sogar – ebenfalls eingeladene – Vertreter der Gesundheitsbehörde die bösen Vorwürfe über „selbsternannte Verbraucherschützer“, die „Hysterie bei der Bevölkerung schüren“. Statt mindestens zu Vorsicht und Besonnenheit zu raten – was die Behörde offiziell tut, indem sie Kindertagesstätten empfiehlt, kein Rindfleisch zu servieren – gaben sich der Lebensmittelüberwacher Eberhard Haunhorst und der Behördenvertreter Claus Gehlhaar betont wissenschaftlich. Wirklich bewiesen sei ja noch nichts, traten sie den Anfeindungen der Bauern vorsichtshalber nicht entgegen.

„Die arme Frau von der Verbraucherzentrale“, sagen deshalb nicht nur Ökobäuerinnen wie Christiane Balzereit, die selbst 50 Prozent Umsatzeinbuße erlebt. Auch der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete und Bauer, Frank Imhoff, räumt ein: „Czarnecki hat den versammelten Frust abgekriegt. Dabei fand ich es gut, dass sie gekommen ist. Ohne die Verbraucher können wir Bauern doch einpacken.“ Imhoff will deshalb demnächst das Gespräch mit der Verbraucherzentrale suchen.

Vorher verlangt die Verbraucherzentrale jedoch Aufklärung von Gesundheitssenatorin Hilde Adolf (SPD) darüber, was die jüngst dargebotene „befremdliche“ Haltung der Vertreter der Gesundheitsbehörde zu bedeuten habe. Der Brief ist schon unterwegs. Und auch von Wirtschaftssenator Josef Hattig (CDU), über dessen Ressort jährlich knapp 750.000 Mark an Steuergeldern für die unabhängige und gemeinnützige Arbeit der Verbraucherberatung fließen, zeigen sich Bremens VerbraucherschützerInnen enttäuscht. Hattig hatte die öffentliche Verhöhnung der Verbraucherzentrale schweigend hingenommen. Ebenso wie den sachlich inkompetenten, aber vielleicht populistisch gemeinten Aufruf von CDU-Fraktions-Chef Jens Eckhoff, die Behörde möge doch ihre „Fachaufsicht“ wahrnehmen – was nachträglich auch behördenintern als „nicht besonders glücklich“ bewertet wird. Denn Eckhoff trumpfte ausgerechnet dann auf, als die aufgeheizte Veranstaltung gerade auf halbwegs sachliches Niveau zurückgekehrt war.

Entsprechend sachlich bilanziert Hattig nachträglich die „engagierte Diskussion“: „Es kann in Anbetracht der für Landwirtschaft und Verbraucher schwierigen Situation nicht darum gehen, Schuldzuweisungen auszusprechen, sondern alle Beteiligten müssen versuchen, das verloren gegangene Vertrauen zurückzugewinnen.“

Diesen Satz würde wohl auch die Verbraucherzentrale unterschreiben. Irmgard Czarnecki jedenfalls sagt: „Wir hatten erwartet, dass es klare Aussagen zur Stärkung des unabhängigen Verbraucherschutzes geben würde. Davon hätten auch die Bauern was.“ Schließlich seien die VerbraucherInnen massiv verunsichert. „Wir werden seit Januar mit Anrufen regelrecht bombadiert und können der Nachfrage personell nicht mehr gerecht werden.“ Gegen Vorwürfe der „Panikmache“ jedoch verwahrt sie sich: „Unsere Aufgabe ist der vorbeugende Verbraucherschutz.“ Zum Thema Rindfleischverzehr und BSE habe die Verbraucherzentrale nur mit Hilfe von Material aus dem Bundesministerium informiert. Darin wird zur Vorsicht geraten – da der Zusammenhang zwischen Creutzfeldt-Jacob und BSE noch zu unklar sei. ede