Pathologen hoffen auf mehr Leichen

Die Zahl der Obduktionen ist dramatisch gesunken. Ärztekammer sieht die Qualität der Forschung gefährdet

Die Zahl der Obduktionen ist in Berlin um 80 Prozent gesunken. Nach Angaben des Berufsverbandes Deutscher Pathologen wurden 1989 noch 8.181 Leichen untersucht, 1999 waren es nur noch 2.212. Das ergab eine gestern vorgestellte Umfrage des Verbandes unter 15 Berliner Pathologie-Instituten gemacht hat.

„Wir befürchten eine Einschränkung des medizinischen Fortschritts“, sagte Johannes Friemann, Direktor der Pathologie am Unfallkrankenhaus Berlin. Die Qualität der ärztlichen Arbeit sei nicht mehr gesichert, wenn aufgrund fehlender Obduktionen die klinisch gestellten Diagnosen unvollständig blieben. „In 64 Prozent der Fälle treten überraschende Befunde zutage“, konstatiert Friemann. Bis zu 50 Prozent davon hätten behandelt werden können, wenn diese Diagnose vor dem Tod bekannt gewesen wäre.

Heutzutage würde meist nur eine Biopsie vorgenommen, bedauert Friemann. Dabei werden mit einer Kanüle Gewebeentnommen. Bei einer klassischen Obduktion wird der Leichnam hingegen geöffnet und Organe in Gänze entnommen. „Wir haben die Dinge in der Hand“, veranschaulicht Ärtzekammerpräsident Günther Jonitz.

Die Pathologen fordern deshalb eine frühzeitige Aufklärung der PatientInnen. Schon bei der Aufnahme in die Klinik sollen sich die Kranken klar für oder gegen eine Obduktion aussprechen. Denn die Angehörigen verweigern in etwa 70 Prozent der Fälle die Zustimmung zur Leichenöffnung. Unmittelbar nach dem Verlust einer nahe stehenden Person fällt eine solche Entscheidung schwer. Zudem habe die Abgabe von Organen an Medizinproduktehersteller das Vertrauen in die Pathologie negativ beeinflusst, bedauert Heinz Pickartz, Leiter der Pathologie im Waldkrankenhaus Spandau. Zunehmender Personalmangel in den Krankenhäusern führe überdies dazu, dass kaum Gelegenheit bleibt, das psychologisch schwierige Thema in geeigneter Weise und zu einem günstigen Zeitpunkt anzusprechen.

Eine entsprechende Aufklärung der Bevölkerung, über den Ablauf einer Obduktion und ihren Nutzen für den medizinischen Fortschritt, ist sicherlich notwendig. Ein Art Ethikkatolog, der eventuellem Missbrauch mit Leichenteilen vorbeugen und somit mehr Vertrauen bei den PatientInnen schaffen würde, konnten die Pathologen gestern aber nicht vorlegen. PETRA MAYER