Kommentar
: Markt des Lebens

■ Warum die Handelskammer die Pädagogik am liebsten verabschieden würde

Leben ist Leistung, Leistung ist Vergleich, und siegen können nur die Besten. So ist das globale Leben eben, und warum soll man sich daran nicht schon als Kleinkind gewöhnen? Warum Kinder zum Abitur fördern, die dazu in Klasse vier noch nicht in der Lage scheinen? Warum Kindern Deutsch beibringen, wo man doch ihre Eltern gar nicht hergebeten hat? Warum Integrationsschulen fördern, in denen Kinder soziale Kompetenz lernen? Das kostet Geld, bringt aber keine Ranking-Plätze. Also, weg damit, fordert die Handelskammer und verabschiedet die Pädagogik.

Natürlich schadet es nicht, wenn Schulen untereinander um Schüler konkurrieren, wenn Lehrer dadurch motiviert werden, dass die Engagierten etwas davon haben, und in der Tat ist das einzige Argument für den Lehrer-Beamtenstatus, dass sich nicht alle Bundesländer trauen, ihn gleichzeitg abzuschaffen.

Trotzdem ist der Vorschlag aus dem Wolkenkuckucksheim der Wirtschaft unerträglich: Denn in Schulen, in denen lauter gleichartig ambitionierte Schüler fürs Ranking lernen, wird für Musik nur Geld da sein, wenn die Mathematik sitzt, würden Menschen gezüchtet, die keine sozialen Probleme kennen, weil die Schulleitung die aussperren kann. Weil sie dann nur noch Schüler aufnimmt, die Erfolge versprechen, die sich in Ranglisten darstellen lassen. Niemand, der wirklich begabt ist, wird daran scheitern, dass er das Abitur ein Jahr später als die englischen Kollegen hat. Aber viele werden scheitern, wenn nur noch gefördert wird, was dem Unternehmen Schule lukrativ erscheint.

Sandra Wilsdorf