Knastdebatte
: Verwahrte Gefangene

■ Knast: Tendenz zum rechtsfreien Raum

Wenn Fachleute ein Bild vom Knast zeichnen, dann meist in abstoßenden Farben. So wieder gestern, als der Beirat der Bremer Justizvollzugsanstalt zum Thema „Strafvollzug in Bremen“ ins Landgericht eingeladen hatte. Es war eine Premiere, diese Art der öffentlichen Veranstaltung, der sich der scheidende Personalrats-Chef der JVA Oslebshausen, Walter Stelljes, der neue Anstaltsleiter Manfred Otto, ein Insassenvertreter und Hartmut Drewes als Sprecher des Anstaltsbeirats vor rund RichterInnen, StrafverteidigerInnen und StaatsanwältInnen stellten. Und es war zugleich eine Wiederholung. Denn viele der über die JVA Oslebshausen geäußerten Klagen sind, wenn auch im Detail vielleicht neu, so doch im Großen und Ganzen alt.

Die Klagen des Insassenvertreters: Freizeitmöglichkeiten sind dramatisch geschrumpft. Haftlockerungen würden nach dem Motto „Aktenverschiebung“ hinausgezögert. Bildungs- und Arbeitsmöglichkeiten seien mangelhaft. Bitteres Fazit: „Der Gefangene wird verwahrt, aber nicht nach dem Auftrag des Strafvollzuggesetzes auf ein Leben in Freiheit vorbereitet.“ Wozu nach Ansicht der Insassenvertretung auch eine „Liebeszelle“ gehört – die die in Haft auf Zerreißprobe gestellten Ehen fördern könnte. Ach ja, und Gespräche zwischen Insassenvertretung und Anstaltsleitung habe es in den vergangenen zwei Jahren nur einmal gegeben.

„Der Neue“, ein Vollzugsfachmann aus Hameln, war seinerseits auch nicht zimperlich. Alarmierend dabei seine Feststellung, es gebe eine Anstaltskultur mit Tendenz zum rechtsfreien Raum. Dies betreffe sowohl Insassen, die in der Anstalt Straftaten begehen, als auch wenig aufmerksame Bedienstete, die Derartiges obendrein nicht ausreichend anzeigen würden. Die Absicht dieser kritischen Bemerkungen könnte sich leicht deuten lassen: Vor dem Hintergrund von Finanznot wird Bremen im Vollzug Personal sparen müssen, in der Diskussion ist auch der Bau eines neuen Großgefängnisses. In jedem Fall denkt Otto schon jetzt über ein Vollzugssystem nach, das „mitarbeitswilligen“ Gefangenen Vorteile bieten soll – und „harten Brocken“ eine andere Behandlung. Das, so blitzte durch, könnte sich auf effektiven Personaleinsatz auswirken, der nicht länger nach dem „Gießkannenprinzip“ soziale „Betreuung von allen Seiten“ für alle vorhalten könne.

Scharfer Protest dazu von Karoline Linnert. „Unsere Auffassung ist, dass das Strafvollzugsgesetz für alle gilt“, so die grüne Fraktionsvorsitzende. Sie halte das von Roland Berger vorgelegte Gutachten zum Vollzug – das sie in seiner aktuellsten Fassung gleich für alle Interessierten kartonweise mitgebracht hatte – mit seiner reduzierten Sichtweise für falsch. Die grüne Alternative: Der Bremer Vollzug könne um hundert Plätze reduziert, der offene Vollzug ausgeweitet werden, eingespartes Geld in den Täter-Opfer-Ausgleich fließen.

Zwischen dem Anstaltsbeirat und der „ich bedaure, dass ich nicht eingeladen worden bin“-Sprecherin des Justizressorts gab es gestern derweil den mittlerweile fast schon üblichen Schlagabtausch über Missstände im Knast – der unübersehbar vor allem Gesprächsbedarf darüber signalisiert, wie geortete Mängel bei der Lockerung, der Versorgung psychisch Kranker sowie zigfaltige Probleme ausländischer Gefangener ernsthaft verbessert werden können. ede